Rotkehlchen
seine Frau danach zu fragen.«
Harry nickte.
Sie fuhren den Sognsvei hinauf und dann weiter über den Peder Ankers Vei, um zu Brandhaugs Haus zu kommen.
»Hässliches Haus«, bemerkte Halvorsen.
Sie klingelten, und es verging eine Weile, ehe eine stark geschminkte Frau von Mitte fünfzig öffnete.
»Elsa Brandhaug?«
»Ich bin die Schwester. Um was geht es?«
Harry zeigte seinen Ausweis.
»Noch mehr Fragen?«, zischte die Schwester mit unterdrücktem Zorn. Harry nickte und wusste, was jetzt kommen würde.
»Ehrlich gesagt! Sie ist vollkommen erschöpft, und es bringt ihr ihren Mann nicht zurück, wenn Sie …«
»Entschuldigen Sie, aber wir denken nicht an ihren Mann«, unterbrach sie Harry höflich. »Der ist tot. Wir denken an das nächste Opfer. Damit es anderen erspart bleibt, das Gleiche zu erleben, was Frau Brandhaug jetzt durchmacht.«
Die Schwester blieb mit offenem Mund stehen und wusste nicht, wie sie ihren Satz zu Ende bringen sollte. Harry half ihr aus der Bredouille, indem er fragte, ob sie ihre Schuhe ausziehen sollten, ehe sie hereinkamen.
Frau Brandhaug wirkte nicht so am Boden zerstört, wie es die Schwester hatte vermuten lassen. Sie saß auf dem Sofa und starrte vor sich hin, doch Harry bemerkte das Strickzeug, das unter dem Sofakissen hervorlugte. Nicht dass es irgendwie falsch gewesen wäre zu stricken, wenn der eigene Mann gerade getötet worden war. Als Harry nachdachte, fand er das sogar fast natürlich. Etwas Bekanntes, das man in den Händen halten konnte, während der Rest der Welt um einen herum einstürzte.
»Ich fahre heute Abend fort«, sagte sie. »Zu meiner Schwester.« »Wenn ich das richtig sehe, stehen Sie bis auf weiteres unter Polizeischutz«, sagte Harry. »Falls …«
»Falls die es auch auf mich abgesehen haben«, ergänzte sie und nickte.
»Glauben Sie das?«, fragte Halvorsen. »Und wer sollten ›die‹ sein?«
Sie zuckte mit den Schultern und schaute durch das Fenster auf das blasse Tageslicht, das ins Wohnzimmer fiel.
»Ich weiß, die Beamten von der Kripo haben bereits danach gefragt«, sagte Harry. »Aber Sie wissen wirklich nicht, ob Ihr Mann nach dem Artikel gestern im Dagbladet irgendwelche Drohungen erhalten hat?«
»Hier hat keiner angerufen«, antwortete sie. »Aber im Telefonbuch steht ja auch nur mein Name. Bernt wollte das so. Sie sollten lieber im Außenministerium fragen, vielleicht hat da wer angerufen.«
»Das haben wir getan«, sagte Halvorsen und warf Harry rascheinen Blick zu. »Wir sind dabei, alle Telefonate zurückzuverfolgen, die er gestern im Büro erhalten hat.«
Halvorsen erkundigte sich weiter nach möglichen Feinden des Mannes, doch sie konnte nicht viel sagen.
Harry saß eine Weile da und hörte zu, ehe ihm plötzlich etwas in den Sinn kam und er fragte:
»Hat es hier gestern überhaupt keine Anrufe gegeben?« »Doch, schon«, erwiderte sie. »Ein paar jedenfalls.«
»Wer hat angerufen?«
»Meine Schwester, Bernt und irgend so ein Meinungsforschungsinstitut, wenn ich mich recht erinnere.«
»Wonach haben die gefragt?«
»Ich weiß nicht. Nach Bernt. Die haben doch so Namenslisten mit Alter und Geschlecht …«
»Sie haben nach Bernt Brandhaug gefragt?«
»Ja …«
»Meinungsforschungsinstitute operieren nicht mit Namen. Haben Sie irgendwelche Hintergrundgeräusche wahrgenommen?« »Wie meinen Sie das?«
»Die sitzen doch gewöhnlich in Großraumbüros mit zahlreichen Mitarbeitern.«
»Da war was«, sagte sie. »Aber …«
»Aber?«
»Nicht die Art Geräusch, von dem Sie sprechen. Es war … anders.«
»Wann haben Sie diesen Anruf erhalten?«
»Gegen zwölf, glaube ich. Ich sagte, er würde am Nachmittag zurückkommen. Ich hatte vergessen, dass Bunt zu diesem Essen mit dem Außenhandelsrat nach Larvik musste.«
»Und Sie sind in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr Mann nicht im Telefonbuch steht, nicht auf die Idee gekommen, dass der Anrufer alle Brandhaugs angerufen haben könnte, um herauszufinden, wo Bernt wohnt? Und um zu erfahren, wann er zu Hause sein würde?«
»Jetzt komme ich nicht mit …«
»Meinungsforschungsinstitute rufen nicht während der Arbeitszeit an, um nach einem Mann im arbeitsfähigen Alter zu fragen.« Harry wandte sich an Halvorsen.
»Überprüf bei Telenor, ob die die Nummer herausfinden können, von der aus angerufen wurde.«
»Entschuldigen Sie, Frau Brandhaug«, sagte Halvorsen. »Ich habe bemerkt, dass Sie draußen im Flur ein neues Ascom-ISDN-Telefon haben. Ich habe
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