Rotkehlchen
denselben Apparat. Die letzten zehn Anrufer werden immer mit Nummer und Zeitpunkt des Anrufes gespeichert Kann ich …«
Harry warf Halvorsen einen anerkennenden Blick zu, ehe dieser aufstand. Frau Brandhaugs Schwester begleitete ihn in den Flur.
»Bernt war in gewisser Weise altmodisch«, sagte Frau Brandhaug mit einem schiefen Lächeln zu Harry. »Doch er kaufte gern moderne Sachen, wenn etwas Neues auf den Markt kam. Telefone und so etwas.«
»Wie altmodisch war er, was Treue angeht, Frau Brandhaug?«
Ihr Kopf schnellte nach oben.
»Ich dachte, wir sollten dieses Thema anschneiden, wenn wir wie jetzt unter vier Augen sprechen«, sagte Harry. »Die Kripo hat Ihre Aussage vom Vormittag überprüft. Ihr Mann war gestern bei keinem Essen des Außenhandelsrates in Larvik. Wussten Sie, dass das Außenministerium über ein Hotelzimmer im Continental verfügt?«
»Nein.«
»Mein Vorgesetzter hat mir heute früh diesen Tipp gegeben. Es stellte sich heraus, dass Ihr Mann gestern Nachmittag dort eingecheckt hat. Wir wissen nicht, ob er allein dort war, aber man macht sich ja gewisse Gedanken, wenn ein Mann seine Frau anlügt und in einem Hotel eincheckt.«
Harry beobachtete sie, während ihr Gesicht eine Metamorphose durchmachte. Erst Wut, dann Verzweiflung, Resignation und schließlich … Lachen. Es klang wie tiefes Schluchzen.
»Ich sollte eigentlich nicht überrascht sein«, sagte sie. »Wenn Sie es absolut wissen müssen, dann will ich Ihnen sagen, dass er auch in dieser Hinsicht … sehr modern war. Ohne dass ich allerdings erkennen kann, was das mit der Sache zu tun haben soll.«
»Das kann einem eifersüchtigen Ehemann das Motiv gegeben haben, ihn zu töten«, sagte Harry.
»Das gibt auch mir ein Motiv, Herr Hole. Haben Sie daran gedacht? Als wir in Nigeria wohnten, kostete ein Mordauftrag zweihundert Kronen.« Sie lachte das gleiche gequälte Lachen. »Ich dachte, Sie hielten diesen Artikel im Dagbladet für das Motiv.«
»Wir überprüfen alle Möglichkeiten.«
»Durch seine Arbeit hat er vorwiegend Frauen getroffen«, sagte sie. »Ich weiß natürlich nicht alles, aber einmal habe ich ihn auf frischer Tat ertappt. Und da habe ich natürlich ein gewisses Muster erkannt, wie er es früher gemacht hatte. Aber Mord?« Sie schüttelte den Kopf. »Man erschießt heute doch niemanden mehr dafür, oder?«
Sie sah Harry fragend an, der nicht wusste, was er antworten sollte. Durch die gläserne Flurtür hörten sie Halvorsens leise Stimme. Harry räusperte sich.
»Wissen Sie, ob er zurzeit ein Verhältnis zu einer bestimmten Frau hatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Fragen Sie im Außenministerium. Das ist ein seltsames Milieu, wissen Sie. Dort gibt es sicher jemanden, der Ihnen bereitwillig einen Tipp geben wird.«
Sie sagte das ohne Bitterkeit, wie eine sachliche Erklärung. Beide sahen auf, als Halvorsen wieder hereinkam.
»Merkwürdig«, sagte er. »Sie haben den Anruf um 12 Uhr 24 erhalten, Frau Brandhaug. Aber nicht gestern, sondern vorgestern.«
»0 ja, vielleicht habe ich mich vertan«, sagte sie. »Dann hat es sicher nichts mit der Sache zu tun.«
»Vielleicht nicht«, sagte Halvorsen. »Ich habe trotzdem die Nummer über die Auskunft überprüft. Der Anruf kam von einem Münztelefon. Aus dem Restaurant Schr ø der«
»Ein Restaurant?«, fragte sie. »Ja, das kann die Hintergrundgeräusche erklären. Glauben Sie …«
»Das muss nichts mit dem Mord an Ihrem Mann zu tun haben«, erklärte Harry und stand auf. »Bei Schrøder verkehren viele merkwürdige Menschen.«
Sie begleitete die beiden Beamten bis zur Außentreppe. Es war ein grauer Nachmittag mit tief hängenden Wolken, die sich über den Bergrücken schoben.
Frau Brandhaug hatte die Arme verschränkt, als friere sie. »Es ist so dunkel hier«, sagte sie. »Haben Sie das bemerkt?«
Als sich Harry und Halvorsen über die Heide näherten, war die Einsatzgruppe noch immer damit beschäftigt, die Gegend um den Unterschlupf herum abzusuchen, an dem sie die Patronenhülse gefunden hatten.
»He, Sie da!«, hörte Harry eine Stimme rufen, als sie sich duckten, um unter dem gelben Absperrband hindurchzugehen.
»Polizei«, antwortete er.
»Egal!«, rief die gleiche Stimme wieder. »Ihr müsst warten, bis wir fertig sind.«
Es war Weber. Er trug hohe Stiefel und einen merkwürdigen gelben Regenmantel. Harry und Halvorsen traten wieder hinter die Absperrung.
»Hallo Weber«, rief Harry.
»Ich hab keine Zeit«, erwiderte er und winkte
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