Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
von der Straße in Richtung Hütte führten. Genau so hatte man ihm das beschrieben. Die Skier klebten wie angeleimt auf der Loipe; sie hätten sich geweigert zu gleiten, selbst wenn er es versucht hätte. Die Sonne stand tief über den Fichten, als er die Hütte erreichte. Auf der Treppe der dunklen Blockhütte saßen zwei Männer in Anoraks und ein Junge, den Harry, der sich mit Jugendlichen nicht auskannte, irgendwo zwischen zwölf und sechzehn einordnete.
    »Ove Bertelsen?«, fragte Harry. Er stützte sich schwer auf seine Stöcke. Er war außer Atem.
    »Hier«, sagte einer der Männer, erhob sich und streckte Harry seine Hand entgegen. »Und das ist Wachtmeister Folldal.«
    Der andere Mann nickte ihm gemessen zu.
    Harry begriff, dass es sich bei dem Jungen um denjenigen handeln musste, der die Geschosshülsen gefunden hatte.
    »Angenehm, mal aus der stickigen Luft in Oslo herauszukommen, nicht wahr?«, fragte Bertelsen.
    Harry kramte seine Zigaretten heraus.
    »In Skien ist es doch wohl kaum besser, würde ich meinen.« Folldal nahm seine Dienstmütze ab und streckte seinen Rücken. Bertelsen lächelte. »Was auch immer die Leute glauben, die Luft in Skien ist sauberer als in allen anderen norwegischen Städten«, erklärte er.
    Harry schirmte das Streichholz mit der Hand ab und entzündete die Zigarette.
    »Ja dann. Ich werde versuchen, mir das zu merken. Habt ihr etwas gefunden?«
    »Es ist gleich hier in der Nähe.«
    Die drei schnallten ihre Skier an und stapften dann hinter Folldal her über eine Loipe, die sie zu einer Lichtung im Wald führte. Folldal deutete mit seinem Stock auf einen schwarzen Stein, der zwanzig Zentimeter hoch aus dem niedrigen Schnee herausragte.
    »Der Junge hat die leeren Hülsen im Schnee neben dem Stein gefunden. War sicher ein Jäger, der hier ein paar Trockenübungen gemacht hat. Man sieht noch die Skispuren daneben. Es hat seit einer Woche nicht mehr geschneit, es können also gut die Spuren des Schützen sein. Sieht aus, als hätte er diese breiten Telemarkski benutzt.«
    Harry kauerte sich hin. Er fuhr mit dem Finger an der Stelle am Stein entlang, an der die Skispur vorbeiführte.
    »Hm. Oder alte Holzski.«
    »Ach ja?«
    Harry hielt einen winzigen hellen Holzsplitter in die Höhe. »Wie auch immer«, sagte Folldal und sah zu Bertelsen hinüber.
    Harry wandte sich an den Jungen. Er trug weite Lodenhosen, die überall Taschen hatten, und hatte seine Wollmütze tief in die Augen gezogen.
    »Auf welcher Seite des Steins hast du die Hülsen gefunden?«
    Der Junge zeigte es ihm Harry schnallte die Skier ab, ging um den Stein herum und legte sich auf den Rücken in den Schnee. Der Himmel war wie immer an klaren Wintertagen kurz vor Sonnenuntergang hellblau geworden. Dann drehte er sich auf die Seite und sah über den Stein hinweg. Er blickte über die offene Lichtung in den Wald. Am Waldrand standen vier Baumstümpfe.
    »Habt ihr Kugeln oder irgendwelche Anzeichen für Schüsse gefunden?«
    Folldal kratzte sich im Nacken. »Sie meinen, ob wir jeden Baum im Umkreis von einem halben Kilometer untersucht haben?«
    Bertelsen legte ihm den Handschuh diskret auf den Mund. Harry schnippte die Asche von seiner Zigarette und beobachtete die Glut.
    »Nein, ich meine, ob ihr die vier Stümpfe dort hinten überprüft habt.«
    »Und warum sollten wir uns gerade die angucken?«, fragte Folldal.
    »Weil Märklin das größte Jagdgewehr der Welt produziert hat. Ein Gewehr von fünfzehn Kilo Gewicht lädt nicht gerade zum Schießen im Stehen ein. Man sollte also davon ausgehen, dass er sich hier auf dem Stein abgestützt hat. Das Märklin-Gewehr wirft die Hülsen auf der rechten Seite aus. Wenn die Hülsen also auf dieser Seite des Steins lagen, hat er in die Richtung geschossen, aus der wir gekommen sind. Es wäre also nicht erstaunlich, wenn er irgendein Zielobjekt auf den Stümpfen dort platziert hätte, nicht wahr?«
    Bertelsen und Folldal sahen einander an.
    »Dann sollten wir wohl mal gucken«, meinte Bertelsen.
    »Wenn das kein Riesenborkenkäfer ist …«, sagte Bertelsen drei Minuten später, »ist das ein gewaltiges Einschussloch.«
    Er kniete sich in den Schnee und steckte seinen Finger in einen der Stümpfe.
    »Verdammt, die Kugel ist tief eingedrungen, ich kann sie nicht spüren.«
    »Schau mal hinein«, sagte Harry.
    »Warum denn?«
    »Um zu überprüfen, ob sie das Holz nicht vollkommen durchschlagen hat«, antwortete Harry.
    »Quer durch diesen dicken Fichtenstumpf?«
    »Schau

Weitere Kostenlose Bücher