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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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weder die dröhnende Musik noch den rasselnden Laut mochte, der irgendwo aus seinen Lungen zu kommen schien. Im Fitnessraum des Polizeipräsidiums hätte er gratis trainieren können, doch Ellen hatte ihn überredet, sich stattdessen im SATS anzumelden. Er hatte sich einverstanden erklärt, sich aber geweigert, als sie versucht hatte, ihn auch noch dazu zu bringen, sich in einen Aerobic-Kurs einzuschreiben. Sich gemeinsam mit einer Schar Menschen, die diese Lalla-Musik mochten, auch noch im Takt zu dieser Lalla-Musik zu bewegen, während sie von einem krampfhaft grinsenden Vorturner mit Kommentaren wie no pain, no gain angefeuert wurden, war für Harry eine unbegreifliche Form freiwilliger Selbsterniedrigung. Das Gute am SATS war, dass man hier gleichzeitig trainieren und Big Brother sehen konnte und darüber hinaus nicht im gleichen Raum wie Tom Waaler sein musste, der beinahe seine gesamte Freizeit im Trainingsraum der Polizei zu verbringen schien. Harry blickte sich kurz um und konstatierte, dass er auch heute Abend wieder der Älteste war. Die meisten im Raum waren Mädchen mit Walkman-Stöpseln in den Ohren, die in regelmäßigen Abständen Blicke in seine Richtung warfen. Nicht weil sie ihn ansahen, sondern weil neben ihm Norwegens populärster Stand-up-Komiker in einem grauen Pullover saß, unter dessen jugendlichem Pony nicht eine einzige Schweißperle zum Vorschein kam. Ein Hinweis blinkte auf Harrys Speedometer-Kontrolle auf: You’re training well.
    »But dressing badly«, dachte Harry und warf einen Blick auf seine ausgeleierte, verwaschene Trainingshose, die er wegen des Handys, das auf dem Hosenbund steckte, immer wieder hochziehen musste. Auch die ausgetretenen Adidas-Schuhe waren weder neu genug, um modern, noch alt genug, um wieder hip zu sein. Das Joy-Division-T-Shirt, das ihm früher einmal eine gewisse Vertrauenswürdigkeit gegeben hatte, legte jetzt nur noch Zeugnis davon ab, dass sein Träger schon ein paar Jahre lang nicht mehr verfolgte, was in der Musik-Szene so lief. Aber ganz – ganz – out fühlte sich Harry trotzdem nicht, denn es begann zu piepen, und er bemerkte, dass sich siebzehnmitleidige Blicke, inklusive der des Stand-up-Komikers, auf ihn richteten. Er fingerte die schwarze kleine Höllenmaschine von seinem Hosenbund.
    »Hole.«
    Okay, so you’re a rocket scientist, that don’t impress …
    »Hier spricht Juul, störe ich.«
    »Nein, das ist nur die Musik.«
    »Sie schnaufen ja wie ein Walross, rufen Sie mich zurück, wenn es Ihnen besser passt.«
    »Es ist mir recht jetzt, ich bin bloß in einem Fitnesscenter.«
    »Ach so. Ich habe gute Neuigkeiten. Ich habe Ihren Bericht aus Johannesburg gelesen. Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass er in Sennheim war?«
    »Urias? Ist das wesentlich? Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich den Namen richtig verstanden hatte. Ich habe nämlich in einem deutschen Atlas gesucht, aber kein Sennheim gefunden.«
    »Die Antwort auf Ihre Frage lautet – ja. Das ist wesentlich. Wenn Sie sich bislang fragten, ob der Mann, nach dem Sie suchen, Frontkämpfer war, dann müssen Sie sich diese Frage jetzt nicht mehr stellen. Das ist hundertprozentig sicher. Sennheim ist ein kleiner Ort, und die einzigen Norweger, von denen ich weiß, dass sie jemals dort waren, sind dort im Krieg gewesen. Im Trainingslager, ehe sie an die Ostfront gingen. Warum Sie Sennheim in keinem deutschen Atlas gefunden haben, ist auch einfach zu erklären: Sennheim liegt nicht in Deutschland, sondern im Elsass, in Frankreich.«
    »Aber …«
    »Das Elsass war in der Vergangenheit mal französisch, mal deutsch, deshalb spricht man dort deutsch. Dass unser Mann in Sennheim war, reduziert die Zahl möglicher Personen beträchtlich. Nur die Norweger der Regimente Nordland und Norge sind dort geschult worden. Und noch besser – ich kann Ihnen den Namen einer Person geben, die in Sennheim war und die sicher kooperieren wird.«
    »Wirklich?«
    »Ein Frontkämpfer aus dem Regiment Nordland. 1944 hat er sich freiwillig zur Heimatfront gemeldet.«
    »Aha.«
    »Er ist auf einem abgelegenen Hof aufgewachsen und seine Eltern und älteren Brüder waren fanatische NS-Anhänger. Er wurde dazugedrängt, sich freiwillig zum Frontdienst zu melden. Er selbst war nie ein überzeugter Nazi und 1943 desertierte er bei Leningrad. Eine kurze Zeit saß er bei den Russen im Gefängnis. Dann kämpfte er sogar eine Weile für sie, ehe es ihm gelang, über Schweden wieder nach Norwegen zu kommen.«
    »Sie

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