Rotkehlchen
bekam drei Jahre wegen Landesverrats. Von den anderen weiß ich nicht einmal, ob sie überlebt haben. Aber ich erzähle Ihnen gerne, was ich über sie weiß.«
Harry blätterte um und begann auf einem neuen, sauberen Blatt seines Notizblockes.
PÜD, 3. März 2000
42 G-u-d-b-r-a-n-d J-o-h-a-n-s-e-n. Harry tippte die Buchstaben auf der Tastatur. Ein Junge vom Land. Laut Fauke ein freundlicher, etwas weicher Typ, der zu diesem Daniel Gudeson, der beim Wachdienst erschossen worden war, aufsah und in ihm irgendwie einen Großer-Bruder-Ersatz hatte. Harry drückte auf ENTER und das Programm begann zu arbeiten.
Er schaute währenddessen auf die Wand. Auf ein kleines Bild von Sem Sie schnitt eine Grimasse; das tat sie immer, wenn sie fotografiert wurde. In den Sommerferien vor vielen Jahren. Der Schatten der Fotografin fiel auf ihr weißes T-Shirt: Mama.
Ein leises Piepen des Computers signalisierte, dass die Suche abgeschlossen war, und er richtete seinen Blick wieder auf den Bildschirm.
Das Volksregister hatte zwei Gudbrand Johansen registriert, doch die Geburtsdaten verrieten, dass beide unter sechzig waren. Sindre Fauke hatte ihm die Namen buchstabiert; es konnte also kein Schreibfehler sein. Das konnte nur heißen, dass er den Namen gewechselt hatte, im Ausland lebte oder vielleicht tot war.
Harry versuchte den Nächsten. Den Anführer aus dem MjondaL Vater eines kleinen Kindes. E-d-v-a-r-d M-o-s-k-e-n. Ausgestoßen von seiner Familie, weil er sich zum Frontdienst gemeldet hatte. Doppelklick auf Suche. Plötzlich ging die Deckenbeleuchtung an. Harry drehte sich um.
»Sie brauchen doch Licht, wenn Sie so spät noch arbeiten.« Kurt Meirik stand in der Tür, den Finger auf dem Lichtschalter. Er kam herein und setzte sich auf die Tischkante.
»Gibt’s was Neues?«
»Wir suchen nach einem Mann, der weit über siebzig ist. Vermutlich ein früherer Frontkämpfer.«
»Ich rede von diesen Neonazis am 17. Mai.«
»Oh.« Der PC gab erneut ein Piepen von sich.
„Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich intensiver darum zu kümmern.«
Zwei Edvard Mosken erschienen auf dem Schirm. Der eine war 1942 geboren, der andere 1921.
»Am Mittwoch gibt es ein Abteilungsfest«, sagte Meirik.
»Ich habe die Einladung mit der Post bekommen.« Harry klickte auf 1921 und die Adresse des älteren Mosken erschien. Er wohnte in Drammen.
»Der Personalchef sagt, Sie hätten sich noch nicht angemeldet. Ich wollte mich nur versichern, dass Sie kommen.«
»Warum sollte ich?«
Harry tippte die Geburtsnummer von Edvard Mosken ins Strafregister.
»Wir möchten, dass sich alle Mitarbeiter über die Abteilungsgrenzen hinweg kennen lernen. Ich habe Sie bis jetzt auch noch nie in der Kantine gesehen.«
»Hier im Büro fühle ich mich am wohlsten.«
Kein Treffer. Er versuchte es im SSP-Register, in dem alle aufgeführt wurden, die irgendwann einmal mit der Polizei zu tun gehabt hatten. Sie mussten nicht unbedingt verurteilt worden sein, es konnte sich auch um Verdächtige handeln, Menschen, die angezeigt oder selbst Opfer eines Verbrechens geworden waren.
»Es ist gut, dass Sie sich so engagieren, aber Sie dürfen sich hier nicht einmauern. Sehe ich Sie also am Mittwoch, Harry?«
ENTER.
»Mal sehen. Ich habe noch eine andere Verabredung, die ich schon seit langem getroffen habe«, log Harry.
Wieder Fehlanzeige. Da er sich ohnehin schon in die SSP-Datenbank eingeloggt hatte, tippte er den Namen des dritten Frontkämpfers ein, den Fauke ihm gegeben hatte. H-a-1-1-g-r-i-m D-a-l-e. Ein Opportunist, laut Fauke. Vertraute darauf, dass Hitler den Krieg gewann und diejenigen belohnte, die sich für die richtige Seite entschieden hatten. Bereute es bereits, als sie in Sennheim ankamen, doch da konnte er nicht mehr zurück. Harry hatte mit dem Namen irgendetwas verbunden, als Fauke ihn erwähnte, und dieses Gefühl meldete sich auch jetzt wieder.
»Lassen Sie mich ein wenig deutlicher werden«, sagte Meirik. »Ich befehle Ihnen zu kommen.«
Harry blickte auf. Meirik lächelte.
»Ein Spaß«, erklärte er. »Aber es wäre nett, Sie zu sehen. Einen schönen Abend noch.«
»Gute Nacht«, murmelte Harry und wandte sich wieder dem Schirm zu. Ein Hallgrim Dale, geboren 1922. ENTER.
Der Bildschirm füllte sich mit Text. Noch eine Seite und noch eine.
Es sind hinterher also nicht alle so gut zurechtgekommen, dachte Harry. Hallgrim Dale, Wohnort Schweigaardsgate, Oslo, war so etwas wie ein alter Bekannter der Polizei. Harrys Augen glitten
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