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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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erspart.
    »Ich schlafe schlecht. Je näher die Geburt rückt, desto schlimmer wird es. Auch gestern war das so. Also heute morgen, ganz früh. Ich bin auf die Toilette, mehrmals. Und wenn man sich hinsetzt, dann ist da dieser Spalt in den Jalousien, fast genau auf Augenhöhe. Eigentlich wollte ich das schon lange reparieren, aber irgendwie ist es ja auch ganz praktisch und unterhaltsam – rauszuschauen, während man, nun ja, sein Geschäft macht. Selbst gesehen wird man ja nicht, es ist wie gesagt nur ein schmaler Spalt. Jedenfalls gestern Nacht – da war dieses weiße Ungetüm, das durch die Straße fuhr.«
    »Ein Ungetüm?«
    »So ein Campingwagen. Ein Wohnmobil. Und ich dachte noch: Was machen Touristen um diese Uhrzeit in einem Wohngebiet in Lessebo? Die Armen müssen sich hoffnungslos verfahren haben.«
    14
    Am Ende ihres Rundgangs durch den Bungalow war Forss wieder in dem Arbeitszimmer gelandet. Der Raum, in dem der Laptop stand, das Keyboard und die Boxen. Sie setzte sich auf den Schreibtischstuhl, zog das Macbook zu sich heran und klappte den Schirm auf. Dann ließ sie den Rechner hochfahren. Das Foto von Andersson erschien, das Passwort wurde abgefragt. Forss legte ihren rechten Zeigefinger an ihre Nasenspitze. Sie zählte bis zehn. Dann tippte sie ein:
    Landbriefträger
    Das Eingabefeld erzitterte. Das Passwort war falsch. Natürlich, dachte sie. Das war eine dumme Idee gewesen. Sie fasste sich an ihr linkes Ohrläppchen. Zählte wieder von zehn herunter. Dann schrieb sie:
    Neonsalmler
    Erneut zitterte das Eingabefeld. Sie drehte an ihrem Ohrring. Sie zählte, dann tippte sie:
    Batman
    Nichts.
    Spiderman
    Ebenfalls nichts.
    The Amazing Spiderman
    Falsch.
    Hulk, Captain America, Wolverine, Iron Man
    Alles falsch.
    Sie kratzte sich am Kinn. Dann hatte sie eine andere Idee. Sie schrieb:
    Bruce Wayne
    Das war Batmans bürgerlicher Name. Nichts geschah.
    Peter Parker
    So hieß Spiderman mit wirklichem Namen. Wieder falsch. Forss grunzte. Dann tippte sie:
    Bruce Banner
    Der Schirm öffnete sich. Treffer, dachte sie. Bruce Banner, der brave Wissenschaftler, der grün anlief, wenn er seine Wutattacken bekam. Der in seinem rasenden Zorn zum Hulk wurde. Interessant, dachte sie. Aus all seinen Comics wählt Olof Andersson ausgerecht den Hulk als Identifikationsfigur. Er hätte Gerechtigkeit zur Auswahl gehabt. Geschicklichkeit, Macht. Den Weltfrieden. Aber er hatte sich einen Charakter ausgesucht, der vor allem für eins stand: unkontrollierbare Rage. Sie klickte sich durch die Items. Es war merkwürdig. Der Rechner wirkte vollkommen unpersönlich, beinahe so, als wäre er fabrikneu. Sie fand keine Fotos, keine Texte, keine persönlichen Dokumente. Die meisten der Standardprogramme waren augenscheinlich nie benutzt worden, noch nicht einmal Word. Dann fand sie ein Programm zur Musikproduktion mit Hunderten von abgespeicherten Audiofiles. Die Dateien trugen alle denselben Namen und waren durchnummeriert, Stiller001 bis Stiller163 . Sie klickte einen der Tracks an. Aus den angeschlossenen Stereolautsprechern drang filigranes Knistern. Dann Geräusche wie von einem tropfenden Wasserhahn. Schließlich setzte eine ruhige Basslinie ein. Elektronische Musik. Eine Art Techno, aber in Zeitlupe. Sie hörte in weitere Stücke hinein. Ähnliche Rhythmen, ähnliche Geräusche. Sie schloss für einen Moment die Augen, versuchte die Musik zu spüren. Es dauerte, aber dann war es da. Die Melodien hatten karge Oberflächen, waren von einer flüchtigen, schwer zugänglichen Schönheit. Seltsame, synthetische Musik, wie sie Forss zuvor noch nie gehört hatte. Sie musste an Räume voller Maschinen denken, die nachts lebendig werden, wenn die Menschen zur Tür hinaus und schlafen gehen. Ein rhythmisches Knacken, Zirpen und Klackern. Aus irgendeinem Grund dachte sie auch an die merkwürdige Apparatur im Geräteschuppen von Janus Dahlin. Dann war da der Name, den Olof Andersson sich oder seiner Musik gegeben hatte. Stiller. Ja, die Musik war still auf eine Art. Unabhängig von der Lautstärke, mit der man sie abspielte. Aber stiller als was? Stiller als der Tod? Hatte Andersson sein Ende kommen sehen? Wohl kaum. Forss kaute an ihrem Daumennagel. In der Schule hatte sie einmal ein Buch gelesen, das so hieß. Von dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Aber worum es da gegangen war, hatte sie vergessen. Außerdem fiel ihr eine Rockband ein, die so hieß. Und ein lustiger amerikanischer Schauspieler. Sie schaltete die Musik aus. Sie wurde

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