Rotzig & Rotzig
auch so.
„Der meint jetzt bestimmt, das wären wir gewesen“, sagte der eine zum anderen.
„Dabei stechen wir, wenn, immer nur einen Reifen kaputt.“
„Macht die Leute spendabel, das.“ Der Radbolzen gab unter protestierendem Quietschen nach, nur einen Sekundenbruchteil bevor mir eine Ader im Gehirn geplatzt wäre. Hat man den ersten los, sind die anderen fünfzehn ein Kinderspiel, sag ich immer. „Ist euch das Wort Jugendstrafrecht ein Begriff?“, fragte ich und setzte das Radkreuz neu an. „Ja klar.“
„Was meinst du, warum wir uns so abrackern?“
„Wir müssen zusammenkratzen, was wir in die Finger kriegen, bevor wir so alt sind, dass sie uns ins Loch stecken können.“
„Und dann?“, fragte ich.
„Ab da muss es irgendwie auf die ehrliche Tour weitergehen.“
„Wird das 'ne Scheiße.“
„Da könnt ihr heute schon mal üben“, sagte ich und kramte Verdünner und Lappen aus der Werkzeugkiste. „Ich hab nämlich keinen Bock, dauernd ins Röhrchen zu pusten, weil irgendein Bulle das Arsch voll auf meinem Kofferraumdeckel auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen will. Und die Berufsbezeichnung auf den Wagenflanken könnt ihr gleich mit entfernen.“
„Wir?“ Vier große blaue Augen sahen mich betroffen an. „Aber das waren wir nicht.“
„Das haben wir nicht geschrieben.“
„Wer soll's denn sonst gewesen sein?“ Ich stand da, mit Verdünner und Lappen nach wie vor in Händen, und spürte mein Blut hochköcheln.
„Oh, kuck ma, hier“, meinte der eine und zeigte auf die Motorhaube des Toyotas, wo eine Kritzelsignatur prangte, die mir bis dahin entgangen war. „Das ist das Tag der ...“, beide sahen sich verschwörerisch um, „... der Nordpark Hoodies“, flüsterte Yves, den ich am Schnitz in seiner Braue erkannte. „Hast du Ärger mit denen, Hausmeister?“
„Du bist doch nicht schwul oder so was?“
„Weder noch. Aber ihr kriegt gleich Ärger mit mir, wenn ihr nicht augenblicklich anfangt, eure Schmierereien von meinem Auto zu entfernen.“ Das Tag der Hoodies verfolgte einen hier im Viertel auf Schritt und Tritt. Doch immer in Sprühlack. Das auf meiner Haube war im selben fetten Edding wie die anderen Beschriftungen gehalten, im selben Filzstift also, wie ihn gleich beide Zwillinge in ihren Hosentaschen spazieren führten. „Können wir nicht machen, deren Tag entfernen“, behauptete Sean düster.
„Oder sonst was, was die gewritet haben“, fügte Yves ernsthaft hinzu.
„Nicht, wenn uns unser Leben lieb ist.“ Nur das Funkeln ihrer blauen Augen verriet ihre gespielte Beklommenheit, als sie sich verabschiedeten. Sie fingen an, mir gewaltig auf die Nerven zu gehen, die verlogenen kleinen Vorstadtratten. Eine Dreiviertelstunde später stand mein Auto auf drei verschiedenen Stahl- und einer Alufelge. Das sah ganz interessant aus, sicherlich ungewöhnlich. Trotzdem hatte ich meine Zweifel, ob sich damit ein neuer Trend auslösen ließe.
Struppi schnarchte auf dem Rücksitz vor sich hin und bedampfte die Scheiben mit seiner Flatulenz. Als ich ihn einschloss, sah er noch nicht mal auf. Fressnarkose.
Draußen vor dem Haupteingang stand ein Hoodie im tiefen Schatten seiner Kapuze, hielt sich das Ohr und murmelte, wie sie es alle den lieben langen Tag lang tun. Unglaubliches Mitteilungsbedürfnis, das diese Generation so an den Tag legt. Er sah nicht auf, als ich ihn passierte. Brav.
So, Feierabend. Müde wuchtete ich den Werkzeugkasten in den Aufzug und drückte die 10. Unter Ächzen nahm die Kabine Fahrt auf. Ein Gähnen renkte mir fast den Unterkiefer aus. Es erstarb, als der Aufzug plötzlich stoppte. Ich sah hoch. Die Dioden der Etagenanzeige formierten sich zu einer leuchtenden 7. Etwas verfrüht, etwas optimistisch, hatten wir den siebten Stock doch noch nicht wirklich erreicht. Nur das untere Drittel der Etagentür war sichtbar, über viel vollgekritzelter und ansonsten völlig glatter Schachtwand.
Probeweise, ohne wirkliche Hoffnung und ohne jeden Erfolg drückte ich sämtliche Knöpfe, bis ich mit einem Anflug von bitterem Humor in Betrachtung des Notrufknopfs für den Hausmeister versank. Irgendwo in dem Schacht über mir knallte eine Klappe, und noch ehe ich mich bemerkbar machen konnte, setzte ein metallisch zirpendes Geräusch ein. Von einer Sekunde auf die andere war ich ganz Puls, Puls und Ohr. Was da oben kratzig Fahrt aufnahm, war das zirpende Geräusch einer Säge. Das rhythmische Zirpen einer Eisensäge, die sich hin und her, hin und her durch
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