Rotzig & Rotzig
doch zumindest äußerlich wirkte er unbeeindruckt davon.
„Ohne George und seinen unerschrockenen Krieg gegen den Terror gäbe es das hier alles nicht.“ Er zeigte mit großzügiger Geste um sich und hinaus auf das riesige, flache Dach seiner Firma.
„Gleich erzählst du mir, Hedgesleeper Solutions ist Teil dieses großartigen Feldzugs.“
„Ach was. Wir profitieren einfach nur von der Hysterie. Wir entwickeln Scanner.“ Er prostete George W. mit warmem Lächeln zu. „Iriden-Scanner, Papillarien-Scanner, physiognomische Scanner. Die Innen- und Verteidigungsminister reißen uns die Dinger nur so aus den Händen. Doch - noch 'nen Wodka? Nein? - was treibt dich her?“
Ich reichte ihm Sieblings Rechner, und er trug ihn zu einem aus einer Flugzeugflügelspitze designten Schreibtisch und schloss ihn an. Ein Monitor schwenkte hoch aus der polierten Aluminiumfläche. Heckenpennes warf sich in einen gepolsterten Drehsessel und sah abwartend von mir zum Monitor und wieder zurück. Eine Tastatur surrte unter der Tragfläche hervor.
„Ich suche ein Bild oder möglicherweise mehrere Bilder von zwei Jungs, Zwillinge, blond, neun bis zehn Jahre alt.“
„Aha. Kleine Jungs, Kristof?“ Er zog eine Braue hoch, hackte ein bisschen auf die Tasten ein. „Ja“, sagte ich. „Nackte, kleine Jungs.“
„Das hab ich schon lange kommen sehen bei dir“, meinte er. „Hoppla“, sagte er dann. „Das könnte ein langer vergnüglicher Nachmittag werden. Hier sind Hunderte von Bildern abgespeichert. Doch verschlüsselt, das Ganze.“ Er hackte ein bisschen weiter herum, dann noch ein bisschen, während ich hinter ihm Aufstellung nahm und zusah, wie er eine Seite nach der anderen öffnete, hintereinanderstapelte und wieder schloss. „Und zwar aufwändig.“ Zur Demonstration zog er ein Foto hoch, dessen Motiv einer kunstvoll mit der Gabel verrührten Dessertkomposition glich. „Und die Entschlüsselungs-Software liegt natürlich irgendwo anders. Du hast nicht zufällig noch 'nen Stick oder eine zweite Festplatte mitgebracht?“
„Nein. Scheiße. Und jetzt?“
„Jetzt geben wir die Kiste runter ins Labor, und entweder finden die den Zugangscode, oder wir dechiffrieren die Bilder. Beides wird allerdings ein bisschen dauern.“
„Was heißt ein bisschen?“
„Bis morgen, schätze ich. Und sobald wir das Programm geknackt haben, suchen wir nackte blonde Jungs im Doppelpack für dich. Sonst noch was?“
„Ich brauche das Datum der Aufnahme. Und wenn möglich, den Weg, wie das Bild auf den Rechner gekommen ist. Also direkt von der Kamera oder eventuell als Datei übers Netz. Kann man das feststellen?“
„Wir werden sehen. Wie erreiche ich dich?“ Ich schrieb ihm die Nummer der Cafebar in Echternach auf einen Zettel und wollte gehen. „Kristof“, seufzte er, über den Zettel gebeugt, „warte.“
Er griff in einen Pappkarton. „Du weißt, was das hier ist, oder?“ Er hielt ein Handy hoch. „So, schau mal her.“
Es gibt Lustigeres als erst wie ein Päderast und dann wie ein Idiot behandelt zu werden, doch im Endeffekt war ich es, der etwas von Heckenpennes wollte, und nicht umgekehrt, deshalb spielte ich brav mit. So ganz nebenbei speicherte ich sein Verhalten allerdings sorgfältig ab, für spätere Retourkutschen. Da habe ich ein sagenhaftes Gedächtnis für.
„Also: Wenn du das hörst“, er drückte einen Knopf, und das Handy machte Füdeldü, „dann schicke ich dir eine SMS. Drückst du auf diesen Knopf hier, kannst du sie lesen. Hörst du aber das hier“, wiederholtes Füdeldü, sehr zu meiner Verblüffung, „dann rufe ich dich an. Drückst du Knopf, kannst du hören.“
„Wild“, sagte ich, steckte das Ding weg und machte mich auf den Weg, zurück nach Luxemburg.
Im Grunde erwartete ich nicht, vor dem späten Abend wieder von Heckenpennes zu hören. Umso überraschter war ich, als kurz hinter Aachen - fünfter Gang bei dichter und dichter werdendem Schneeregen - eine SMS einging. Fast hätte ich den Datsun in die Planke gehauen, so sehr schreckte mich das unvermittelte Füdeldü aus meinen Gedanken hoch. Ich klappte das Display auf, bereit, an der nächsten Ausfahrt zu wenden und zurück nach Mülheim zu jagen, und las den Text. Die Belgacom hieß mich in ihrem Netz willkommen. Viel hätte nicht gefehlt, und das Scheißding wäre aus dem Seitenfenster geflogen.
Bis ich wieder in Echternach eintraf, war es dunkel. Ich brachte Leyla ihr Auto zurück, erzählte ihr von meinen Erlebnissen des
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