Roulette des Herzens
ihr getrennt war. Er wusste, er würde sie nie leid werden, denn sie war so lebenswichtig für ihn wie die Luft zum Atmen. Und dennoch kam er sich bei jedem Kuss, den er ihr auf die Stirn drückte, wie ein Schwindler vor. Es war, als habe man ihm hübsche Sachen gegeben, die ihm nicht richtig passten. Er ertappte sich dabei, Sara aufmerksam zu beobachten, als warte er auf ein Anzeichen dafür, einen Fehler begangen zu haben. Er war nicht so dumm zu denken, dass er sich so wie die meisten Ehemänner benahm, was immer darunter zu verstehen war. Sie war ihm jedoch keine große Hilfe, so dass er blind über einen steilen und ihm unbekannten Weg gehen musste.
Oft empfand er starkes Unbehagen, als werde ein unsichtbares, ungeheures Gewicht in seinem Namen aufgehäuft.
Gelegentlich empfand er einen Anflug von Unwillen, wenn er erkannte, dass Sara für ihn die Quelle allen Vergnügens, allen Trostes und Friedens geworden war. Sie war der erste Mensch, den er je gebraucht hatte. Er hatte seine Freiheit auf eine Weise verloren, die er nie für möglich gehalten hätte, und war sicherer durch Saras Liebe gebunden, als wären ihm meilenlange Eisenketten angelegt worden.
Sara vermisste den Gatten im Bett, ging im Morgengrauen nach unten und traf ihn im Hauptspielsaal an. Ohne die übliche Anwesenheit der Stammkunden und Angestellten war der Raum unheimlich still und groß. Derek saß an Mr. Worthys Eckschreibtisch, auf dessen polierter Oberfläche etliche Kartenspiele sorgsam aufgereiht waren. Er ahnte die Anwesenheit seiner Frau, blickte über die Schulter und brummt etwas Unverständliches.
»Was machst du da?« fragte Sara gähnend und kuschelt sich in einen in der Nähe stehenden Sessel.
»Worthy argwöhnt, dass einer meiner Geber betrügt. Ich will mir die Karten ansehen, die der Mann heute benutzt hat, um ganz sicher zu sein.« Missvergnügt verzog Derek den Mund und wies auf die flachen Päckchen. »Das ist ein markiertes Spiel, so wahr, wie ich hier sitze.«
Sara war perplex. Sie hatte die komplizierten Rituale an, den Spieltischen beobachtet, das feierliche Öffnen eines neuen Kartenpäckchens. »Wie kann einer der Geber Karten markieren? Er hat weder Zeit noch Gelegenheit dazu, nicht wahr?«
Derek nahm das neue Spiel zur Hand und mischte es so routiniert, dass Sara die Karten kaum noch erkennen konnte. Mit der Vorderseite nach unten teilte er die Karten aus. »Sag mir, welche Karte die Königin ist.«
Sara starrte die Rückseiten der Karten an. »Das kann ich dir nicht sagen. Sie sehen alle gleich aus.«
»Nein, das tun sie nicht. Ich habe die Königin soeben gezinkt.« Er nahm die Karte hoch und zeigte Sara die winzige, kaum sichtbare Delle, die er mit dem Fingernagel an, der Ecke der Karte gemacht hatte. »Es gibt andere Möglichkeiten, Karten zu kennzeichnen. Ich könnte Tinte auf meine Zeigefingerspitze tun und Flecke auf den Karten hinterlassen. Ich könnte sie auch ein wenig einknicken, oder einen Spiegel im Hemdärmel verborgen halten.«
»Einen Spiegel?«
Derek nickte und spielte weiter mit den Karten. »Falls ein Kartenspiel professionell gezinkt ist, kannst du das merken, indem du es mischst und dabei die Rückseiten beobachtest. Jede Linierung oder Markierung fällt sofort ins Auge.« In seinen Händen schienen die Karten lebendig zu werden, als er sie wieder mischte. »So packt man die Karten, aber es muss rasch geschehen. Man muss das vor einem Spiegel üben.« Die Karten liefen ihm schnell durch die Hände. Er hielt sie zärtlich, fächerte sie dann mit seinen geschickten Fingern, bis das Blatt eine Brücke ergab, einen Wasserfall, einen aufgeklappten Fächer.
Staunend schaute Sara zu. Auch wenn die Geber im Club sehr behänd waren, hatte sie doch nie jemanden Karten mit solcher Leichtigkeit handhaben sehen. Dieser Umstand, verbunden mit Dereks unglaublichem Zahlengedächtnis, machte den Gatten zu einem unbesiegbaren Gegner. »Warum spielst du nie?« fragte sie. »Ich habe dich nie mit Lord Wolverton oder deinen anderen Freunden spielen sehen. Liegt das daran, weil du weißt, dass du immer gewinnst?«
Derek zuckte mit den Schultern. »Das ist einer der Gründe«, antwortete er ohne eine Spur von Dünkel. »Ein weiterer Grund ist, dass ich nicht gern Karten spiele.«
»Nein?«
»Das hat mir nie Spaß gemacht.«
»Aber wie kannst du etwas so gut beherrschen und dennoch keinen Spaß daran haben.«
»Das ist eine gute Frage«, sagte Derek, lachte leise und legte die Karten hin. Er führte
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