Roulette des Herzens
Tabitha die Stimme: »Er ist wie ein Stier gebaut, und zwar genau dort, wo es darauf ankommt.«
»Woher weißt du das?« fragte Violet misstrauisch.
»Ich bin mit Lady Fairhursts Zofe Betty befreundet«, antwortete Tabitha selbstgefällig. »Sie hat mir erzählt, dass sie einmal Mr. Craven und Lady Fairhurst zufällig dabei erwischt hat, wie sie es am hellen Tag im Bett getrieben haben, derweil Lord Fairhurst in Shropshire weilte.«
Sara fiel der Bleistift aus den schlaffen Fingern, und hastig duckte sie sich unter den Tisch. Ihr raste das Herz. Es ging noch an, unbeteiligt zuzuhören, wenn, über einen Fremden geredet wurde, doch nun fragte sie sich, wie sie Mr. Craven je wieder ins Gesicht sehen könne. Entsetzt und fasziniert hob sie den Bleistift auf und setzte sich gerade hin.
»Was du nicht sagst!« rief eines der Mädchen aus. »Wie haben die beiden darauf reagiert?«
»Lady Fairhurst bekam einen furchtbaren Tobsuchtsanfall. Mr. Craven hat nur gelacht und gesagt, Betty solle die Tür zumachen.«
Die Nutten kicherten fröhlich. »Außerdem kann man stets aufgrund der Größe der Nase eines Mannes sagen, wie er gebaut ist«, fuhr Tabitha fort. »Und Mr. Craven hat eine sehr lange Nase.«
»Das sieht man nicht an der Nase«, widersprach Violet. »Das sieht man an der Größe der Füße.«
Die Mädchen gackerten albern, nur Sara lachte nicht. Tabitha stützte den Kopf auf die Hand und starrte, weil ihr ein Gedanke gekommen war, Miss Fielding an. »Ich habe eine Idee, Miss Fielding. Warum bringen Sie Mathilda morgen nicht her, damit sie Mr. Craven kennenlernen kann? Die beiden würden ein prächtiges Paar abgeben.«
Die anderen Frauen stimmten eifrig zu: »Ja, sie würde sein Herz zum Schmelzen bringen!«
»Ja, ja, tun Sie das!«
»Sie würde ihn um den kleinen Finger wickeln!«
Selbst Monsieur Labarge, der dem Gespräch zugehört hatte, warf impulsiv ein. Für die schöne Mathilda würde ich den feinsten Kuchen backen.«
Sara lächelte entschuldigend und zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich befürchte, das geht nicht. Es gibt, keine Mathilda. Sie ist frei erfunden.«
Abrupt war es still am Tisch. Alle Leute starrten Sara mit verwirrten Mienen an. Selbst der Küchenjunge hatte mitten in der Arbeit, das schmutzige Geschirr zusammenzustellen, aufgehört.
Sara versuchte, die Sache zu erklären: »Wissen Sie, als Ergebnis detaillierter Recherchen und Diskussionen habe ich Mathilda erschaffen. Sie ist wirklich eine Mischung aus den Wesenszügen vieler Frauen, die ich kennengelernt habe, als ich…«
»Ich habe gehört, sie sei in ein Kloster eingetreten«, unterbrach Violet.
Tabitha schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat einen reichen Gönner. Ich habe eine Freundin, die hat sie neulich in der Bond Street gesehen. In den besten Geschäften hat sie Kredit, sogar bei Madame Lafleur.«
»Was hatte sie an?« wollte eine der Frauen eifrig wissen.
Tabitha beschrieb Mathildas aufsehenerregendes Kleid und den Lakai, der ihr gefolgt war. Während die lebhafte Unterhaltung fortgesetzt wurde, grübelte Sara über das nach, was Miss Tabitha über Mr. Craven und seine Liaison mit Lady Fairhurst erzählt hatte. Sie fragte sich, ob bei seinen Affären Liebe eine Rolle gespielt habe. Er hatte ein vielschichtiges Wesen und bewegte sich am äußersten Rand der Respektabilität. Zweifellos befriedigte es seinen Sinn für Gerechtigkeit, wenn er mit den Frauen von Aristokraten, die ihn insgeheim ob seiner Gewöhnlichkeit verachteten, Affären hatte. Und es musste schwierig für ihn sein, ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken, wenn er seine abendlichen Einnahmen zählte, die Vermögen, die er jungen, sich ihm haushoch überlegen fühlenden Lords aus der Tasche gezogen hatte.
Es war eine befremdliche Welt, die er für sich erschaffen hatte. Er war ebenso gut imstande, seine Zeit mit Konstablern, Konfidenten und Gassenstreunern zu verbringen, die Teilzeitkräfte im Club waren, wie mit den hochgeborenen Stammkunden. Es war unmöglich, jemanden wie ihn in eine Schublade zu stecken. Sara verbrachte beträchtlich viel Zeit damit, über ihn nachzudenken. Endlos viele Fragen, wer und was er war, gingen ihr durch den Sinn.
Kapitel 4
Mitten im Schreiben hielt Sara inne und nahm einen Keks vom Tablett, das Monsieur Labarge ihr hatte heraufschicken lassen. Zuckerkrümel fielen auf die polierte Platte des Mahagonischreibtisches, und hastig wischte sie die Krumen mit dem Kleidärmel weg. Sie saß in einem der Zimmer von
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