Roulette des Herzens
Craven.«
»Ich soll mit Ihnen irgendwo hingehen?« fragte Sara und hob das Weinglas hoch.
»Möchten Sie lieber hierbleiben?«
Sara nippte am Glas und betrachtete Mr. Jenner über den Rand hinweg. Sie begann, sich etwas wohler, weniger dumpf zu fühlen, und fand, er habe nicht ganz unrecht. Im« Craven« blieben ihr keine Möglichkeiten mehr, da Mr. Worthy und wahrscheinlich sämtliche Angestellten darauf warteten, sie hinauszubefördern. Zudem hatte sie durch Mr. Jenners Angebot die Chance, ihre Recherchen über Spielhöllen fortzusetzen. Natürlich war Mr. Jenner nicht gerade der vertrauenswürdigste Mensch. Aber Mr. Craven war das auch nicht. Und so kindisch der Gedanke auch sein mochte, sich mit Mr. Cravens geschäftlichem Rivalen zu verbünden, war er doch nicht ohne Reiz.
Sie setzte die Maske auf und nickte entschlossen. »Ja, Mr. Jenner, ich würde gern Ihren Club sehen.«
»Ivo. Nennen Sie mich Ivo.« Breit grinsend setzte er ebenfalls die Maske auf. »Ich hoffe, wir können uns verkrümeln, ohne erwischt zu werden.«
»Wir werden am Haupteingang anhalten müssen. Ich brauche meinen Mantel.«
»Dann wird man uns aufhalten«, erwiderte Ivo warnend.
»Das glaube ich nicht.« Sara schenkte ihm ein unbekümmertes Lächeln. »Heute Abend habe ich das Gefühl, vom Glück begünstigt zu sein.«
Er schmunzelte und hielt ihr einladend den Arm hin. »Ich auch; Schätzchen«, sagte er.
Dreist ging man durch die Haupträume am Rand der Menschenmengen vorbei. Mr. Jenner war sehr geschickt darin, seinen weiblichen Fang aus der Reichweite ausgelassener Gäste zu manövrieren, indem er entweder scherzhafte Bemerkungen machte oder Drohungen ausstieß, während er sich durch die Anwesenden den Weg bahnte. Arm in Arm begaben Sara und er sich zum Haupteingang des Clubs. Auf ihre Bitte hin hielt man an und bat Ellison, den Butler, ihr den Mantel zu bringen.
Als John sie sah, wurde er vor Aufregung rot. »Miss Mathilda! Sie wollen doch nicht schon so früh gehen!«
Sara lächelte spitzbübisch. »Ich habe eine interessantere Einladung erhalten, und zwar in einen Club.«
»Ich verstehe.« Enttäuscht machte der Butler ein langes Gesicht. »Dann werden Sie Ihren Mantel haben wollen.«
»Ja, bitte.«
Ein Bediensteter eilte fort, um den Mantel zu holen. Mr. Jenner zog Sara einige Schritte beiseite. »Er hat Sie Mathilda genannt«, sagte er in seltsamem Ton.
»Ja, das hat er.«
»Sie sind das? Mathilda? Die, über die man das Buch geschrieben hat?«
»In gewisser Hinsicht«, antwortete Sara unbehaglich. Das war eindeutig eine Verdrehung der Wahrheit. Sara konnte Mr. Jenner nicht ihren Namen nennen. Niemand durfte erfahren, dass sie, die guterzogene, sittsame Miss Sara Fielding, je zu einem Ball der Halbwelt gegangen war sich betrunken und mit übelbeleumdeten Männern eingelassen hatte. Falls das je Mr. Kingswood zu Ohren kam, oder seiner Mutter … Der Gedanke ließ Sara erschauern.
Ivo sah sie frösteln, nahm den Mantel entgegen und legte ihn ihr ehrfurchtsvoll um die Schultern. Er hob die wallenden Locken an und ließ sie über den Samtmantel fallen. »Mathilda«, flüsterte er. »Die Frau, die jeder Mann im Land haben will!«
»Das ist eine große Übertreibung, Mr. Jenner … äh Ivo«, erwiderte Sara.
»Mr. Jenner?« Scharf schaute der Butler, der den Namen gehört hatte, ihren maskierten Begleiter an. »O nein!
Sagen Sie nur nicht, Miss Mathilda, dass Sie mit diesem verkommenen, gefährlichen Subjekt weggehen wollen.«
»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte sie beschwichtigend und tätschelte Mr. Ellison den Arm. »Und Mr. Jenner ist wirklich sehr reizend.«
»Miss Mathilda, ich kann nicht zulassen …« protestierte John heftig.
»Sie begleitet mich«, unterbrach Ivo und sah ihn finster an. »Niemand hat dazu etwas zu sagen.« Herrisch zog er sie mit sich und drängte sie die Freitreppe zu den wartenden Kutschen hinunter.
Unterstützt von ihm und einem Lakai, der eine etwas verschlissene Uniform trug, stieg sie in die schwarz und burgunderrot lackierte Kutsche. Obwohl das Wageninnere sauber und präsentabel war, entsprach es keineswegs den luxuriös ausgestatteten Fahrzeugen, die sie vom »Craven« her gewohnt war. Sie lächelte leicht und dachte daran, wie verwöhnt sie innerhalb weniger Tage geworden war. Gutes Essen, französische Weine, tadelloser Service und der ganze Überfluss im Club! Das war gewiss ein starker Kontrast zu Greenwood Corners.
Unbehaglich blickte sie auf das
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