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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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auszuruhen und schweißtriefend ankamen.

1757
    Als ich wegen der schlechten Jahreszeit zu Hause zu bleiben begann, wollte ich meine gewöhnlichen Beschäftigungen am Schreibtische wieder aufnehmen; es war mir nicht möglich. Ich erblickte überall nur die beiden reizenden Freundinnen, nur ihren Freund, ihre Umgebung, das Land, welches sie bewohnten, kurz nur Gegenstände, welche ich in meiner Phantasie für sie geschaffen oder verschönert hatte. Ich war nicht einen Augenblick mehr bei mir selbst, die Begeisterung verließ mich nicht mehr. Nach vielen vergeblichen Bemühungen alle diese Traumgebilde von mir fern zu halten, wurde ich schließlich ganz ihre Beute und ich bestrebte mich nur noch einige Ordnung und einigen Zusammenhang hineinzubringen, um daraus eine Art Roman zu machen.
    Zu einer großen Verlegenheit gereichte mir das Schamgefühl, mich auf diese Weise selbst so unverholen und so laut Lügen zu strafen. Konnte man sich nach den strengen Grundsätzen, die ich so entschieden ausgesprochen, nach den ernsten Principien, die ich so eifrig gepredigt, nach meinen vielen beißenden Angriffen gegen die weibischen Bücher, die Liebe und Weichlichkeit athmeten, konnte man sich, frage ich, wohl etwas Unerwarteteres, etwas Aergerlicheres denken, als zu sehen, wie ich mich plötzlich mit eigener Hand unter die Schriftsteller solcher Bücher schrieb, die ich so scharf getadelt hatte? Ich fühlte diese Inconsequenz in ihrer vollen Stärke, ich warf sie mir vor, erröthete und ärgerte mich über sie; aber alles dies war nicht im Stande mich wieder zur Vernunft zu bringen. Völlig unterjocht, mußte ich es mir gefallen lassen, wie es immer kam, und mich entschließen, jedem Gerede zu trotzen, wobei es mir ja unbenommen blieb, später zu überlegen, ob ich mein Werk zeigen wollte oder nicht; denn damals vermuthete ich noch nicht, daß ich mich zur Veröffentlichung entschließen würde.
    Zu diesem Entschlusse gelangt, überlasse ich mich ganz und gar meinen Träumereien, und indem ich sie mir wieder und wieder zurechtlege, entwerfe ich endlich die Art von Plan, dessen Ausführung dem Leser vorgelegen hat. Es war sicherlich das Beste, wozu sich meine Narrheiten verwenden ließen: die Liebe zum Guten, die nie aus meinem Herzen gewichen ist, richtete sie auf nützliche Gegenstände, die der Moral hätten zum Vortheil gereichen können. Meine wollüstigen Bilder hätten alle ihre Anmuth verloren, wenn ihnen der liebliche Hauch der Unschuld gefehlt hätte. Ein schwaches Mädchen ist ein Gegenstand des Mitleids, den die Liebe interessant machen kann und der oft nicht weniger liebenswürdig ist; allein wer kann ohne Entrüstung die Darstellung der Modesitten ertragen? und was giebt es Empörenderes als den Dünkel einer treulosen Frau, die, obgleich sie alle ihre Pflichten mit Füßen tritt, trotzdem beansprucht, daß ihr Mann von Dankbarkeit für die Gnade durchdrungen sei, die sie ihm durch ihr Bestreben erweist, sich nicht auf der That ertappen zu lassen? Vollkommene Wesen giebt es in der Natur nicht, und für die aus ihnen zu entnehmenden Lehren sind wir wenig empfänglich. Aber wenn sich eine junge Person, der die Natur ein eben so zärtliches wie keusches Herz verliehen hat, im Mädchenstande von der Liebe besiegen läßt und als Frau wieder Kraft gewinnt, um sie nun ihrerseits zu besiegen und wieder tugendhaft zu werden; dann verschließet dem das Ohr, der euch versichern will, daß dieses Gemälde in seinem ganzen Umfange ärgerlich und nutzlos sei.
    Außer diesem Thema von der ehelichen Keuschheit und Treue, die durchaus zu jeder socialen Ordnung gehört, behandelte ich noch ein weniger leicht erkennbares, die Nothwendigkeit der Eintracht und des allgemeinen Friedens, einen vielleicht schon an sich und wenigstens damals größeren und wichtigeren Stoff. Der durch die Enzyklopädie erregte Sturm hatte sich nicht nur nicht gelegt, sondern sich damals in noch größerer Stärke erhoben. Die beiden mit äußerster Wuth wider einander entfesselten Parteien glichen eher wüthenden Wölfen, die sich blutgierig zu zerfleischen drohten, als Christen und Philosophen, die darauf ausgehen, sich gegenseitig aufzuklären, zu überzeugen und auf den Weg der Wahrheit zurückzuführen. Vielleicht gebrach es beiden nur an rührigen und einflußreichen Anführern, um den Streit in einen Bürgerkrieg ausarten zu lassen, und Gott weiß, wohin ein Bürgerkrieg um die Religion, zumal die leidenschaftlichste Unduldsamkeit auf beiden Seiten

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