Roxane und der Hexer (German Edition)
die helle Nacht heran, packten Linda unter den A r men und trugen sie empor in die Lütte. In sausendem Flug ging es durch die Nacht, hinüber zum Wald.
Linda Scholz sah den Boden unter sich dahinrasen. Sie schloss die Augen, als ihr die schwindelnde Höhe bewusst wurde.
Wachte sie oder träumte sie?
Plötzlich stürzte sie, hatte aber sofort Boden unter den F ü ßen. Sie erhob sich.
Linda befand sich auf einer Lichtung, in deren Mitte ein Fe u er brannte. Der dunkel gekleidete Mann mit dem Feuermal stand vor den Flammen, die ihn zu umlodern schienen. Um ihn hatten zwanzig Frauen einen Ring gebildet. Linda sah alte Megären mit fast fleischlosen Gesichtern, deren Köpfe Totenschädeln ähne l ten, und junge, schöne Frauen und Mädchen.
Wie gebannt blieb sie außerhalb des Kreises stehen.
» Ich, Gilbert Signefeu, bin wiedergekehrt « , hörte Linda den Hexer rufen. » Menschliche Habgier und Dummheit haben mein G e fängnis geöffnet. Ich habe meine irdische Existenz wieder, wenn auch nur für eine Stunde am Tag, die Geisterstunde. Wä h rend der übrigen Stunden bin ich als körperloser Geist anwesend, der nur in beschränktem Maß physische Aktionen durchfü h ren kann. «
Linda erkannte, dass der Hexer nicht wirklich sprach, so n dern dass sie seine Stimme in ihrem Gehirn hörte.
» Ich bin euer Herr, ihr alten Hexen, die ihr mir schon vor 390 Jahren die n tet, und die ihr all die Zeit mein Haus für mich freigehalten und euch dort in den Nächten getroffen habt. «
Die uralten, verrunzelten, kaum noch menschenähnlichen We i ber verneigten sich vor Signefeu.
» Und ihr, ihr jungen Hexen, die ich vor kurzer Zeit erst in meinen Zirkel gerufen habe, auch euer Meister bin ich. Ihr seid mir widerspruchslosen Gehorsam schuldig. «
Die jungen, hübschen Mädchen und Frauen verneigten sich vor dem Hexenmeister.
» Nun denn « , rief er, » schreiten wir zur ersten Tat. Bringt die Gefangene. «
Zwei Hexen packten Linda Scholz, führten sie vor den Hexer. Er hob die Hand. Eine wilde Melodie klang auf. Die Hexen wirbe l ten in rasendem, ekstatischem Tanz herum. Einige stoben auf i h ren Besen durch die Luft.
» Willst du zu uns gehören ?«, fragte Gilbert Signefeu.
Linda schüttelte den Kopf. Der Hexer zischte eine Beschw ö rung. Eine große, glühende Schlange wuchs aus dem Feuer, hob den dreieckigen Kopf, als wollte sie zustoßen, ihre Giftzähne in Linda Scholz' Fleisch graben.
» Wenn du nicht zu uns gehören willst, wird die Schlange dich töten « , rief Gilbert Signefeu. » Also, willst du? «
Wieder schüttelte Linda den Kopf . Der Hexer rief einen B e fehl. Sofort packten vier Hexen Linda, trugen sie in die Lüfte empor, bis sie das Feuer nur noch als einen kleinen, hellen Punkt sah.
» Wenn du nicht zu uns gehören willst, lassen wir dich in die Tiefe stürzen « , sagte eine der Hexen. » Willst du? «
Hätten nicht ihre Träume Linda all die Schrecken und Gräue l taten des Hexers gezeigt, sicher hätte sie in ihrer Angst zug e stimmt.
Doch so antwortete sie wiederum: » Nein. «
Die Hexen ließen sie los. Wie ein Stein stürzte Linda in die Tiefe. Rasend schnell wurde das Feuer größer.
» Die letzte Möglichkeit, dein Leben zu retten. Willst du eine Hexe werden wie wir? «
Roxanes Bild, ihr Ebenbild, stand in jenen Sekunden vor Li n das Augen. Unendlich traurig blickten die Augen des Mädchens. Sollte Linda sich dem Ungeheuer ausliefern, das dieses Mädchen ins Verderben und zu einem schrecklichen E n de geführt hatte?
» Nein, nein, nein. «
Im letzten Augenblick, als sie sich schon tot und zerschme t tert auf der Lichtung sah, fingen die fliegenden Hexen Linda auf und setzten sie vor Gilbert Signefeu ab.
Zorn stand im Gesicht des Hexers, loderte aus seinen Augen.
» Du bist hartnäckiger als alle andern « , sagte der Hexer. » Nur eine habe ich gekannt, die so war wie du. Doch ich weiß, wie ich deinen Willen brechen kann. «
Die wilde Melodie verstummte. Die Hexen sammelten sich wi e der im Kreis. Gilbert Signefeu murmelte Beschwörungen, die von den Hexen wiederholt wurden. Plötzlich sah Linda, deutlich wie auf einer Filmleinwand, einen Mann in seinem Bett. Es war R ü ger, der Hotelbesitzer. Signefeu rief eine Verwünschung.
Auf der Projektion, die deutlich sichtbar in der Luft schwe b te, sah Linda, wie Rüger sich im Bett aufsetzte, sich an die Kehle griff und röchelnd zur Seite fiel. Sie wusste , dass er tot war.
Dann erschien ein anderes Bild. Linda erkannte den
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