Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
Mencheres’ Besucher im Garten verbracht hatte, war sie sich vorgekommen, als stünde sie einem tollwütigen Pitbull gegenüber– jede plötzliche Bewegung, hatte ihr Bauchgefühl sie gewarnt, konnte einen blindwütigen Angriff zur Folge haben.
Und das war noch, bevor dieser kaltäugige Bastard versucht hatte, sie zu beißen. Kira war über die Maßen erleichtert, dass Mencheres sein Versprechen gehalten hatte, niemand dürfe Hand an sie legen, solange sie bei ihm wohnte. Als Mencheres Radje bewegungsunfähig gemacht hatte und der sie anstarrte, hatte sie gespürt, wie Wellen der Bosheit von ihm ausgegangen waren. Er hatte sie nicht nur beißen wollen, da war sie sich sicher. Er hatte ihr wehtun und sie demütigen wollen, obwohl er ihr noch nie zuvor begegnet war.
Obwohl Kira Radje nie wieder über den Weg laufen wollte, hatte die Begegnung mit ihm ihre Furcht ein wenig besänftigt. Schon als sie noch im Baum gesessen hatte, also noch bevor Radje ausfallend geworden war, hatte etwas an ihm sie abgestoßen. Was bewies, dass ihre Instinkte noch funktionierten, selbst bei Vampiren. Was Kira Anlass zu der Hoffnung gab, dass Mencheres sie nicht einfach anlog, um sie später durch seine Hypnosekräfte zu versklaven. Immerhin hätte ihm egal sein können, ob Kira sich während ihrer Gefangenschaft wohl fühlte oder nicht. War man so schnell und stark wie ein Vampir, brauchte man nicht erst die Einwilligung seiner Opfer abzuwarten.
Die erschreckendste Erkenntnis aber war, dass Kira vollkommen machtlos war, was ihre Situation anging. Mencheres musste gar nicht ihren Geist kontrollieren, um sie zum Bleiben zu zwingen, sie hatte sich nur etwas vorgemacht.
Wenigstens ihre Schwester hatte sie inzwischen endlich erreicht. Kira hatte Tina die gleiche Geschichte aufgetischt, die Gorgon angeblich Frank erzählt hatte– dass sie mit Grippe im Bett lag. Tina hatte sich Sorgen gemacht, aber ihnen war beiden klar, dass sie einen Besuch nicht riskieren durfte. Nicht solange Kira angeblich ein ansteckendes Virus mit sich herumschleppte, das Tinas ohnehin angeschlagenes Immunsystem noch weiter schwächen würde. Kira war nicht entgangen, dass jedes Lachen ihrer Schwester in einem Hustenanfall endete und ihre Stimme belegt, ihre Sprache schleppend klang. Mit neunundzwanzig war Tina bereits im Herbst ihres Lebens angelangt, so ungerecht das auch war.
Der Gedanke war so niederschmetternd, dass er Kira aus ihrem Zimmer trieb. Erst gestern hatte sie mit Tina gesprochen, aber am liebsten hätte sie sie schon wieder angerufen. Sie musste sich vergewissern, dass Tina noch da war, noch immer ein Teil ihres Lebens.
Nach Mencheres oder Gorgon Ausschau haltend ging Kira die Treppe hinunter. Würde sie einfach das Telefon benutzen, ohne sich vorher mit einem der beiden kurzzuschließen, würde, soweit sie wusste, Alarm ausgelöst. Dann würde man ihr womöglich nicht glauben, dass sie nur einen ganz unschuldigen Anruf bei ihrer Schwester und keinen Notruf hatte tätigen wollen. Sie wurde ärgerlich. Es war ja verständlich, dass Vampire ihre Existenz vor den Menschen geheim halten wollten, aber sie war es, die für die nächsten Tage den Preis dafür würde zahlen müssen. Zumindest hoffte sie, dass ihre Gefangenschaft nicht noch länger dauern würde.
Im Erdgeschoss sah sie sich kurz in Salon und Küche um. Niemand da. Kira betrat die Terrasse, aber der Poolbereich war verwaist. Genau wie der Garten. Sie ging wieder nach drinnen und wollte gerade in der Waschküche nachsehen, als eine Stimme hinter ihr sie zusammenfahren ließ.
» Suchst du jemanden?«
Sie wirbelte herum, versuchte ihren jagenden Puls zu beruhigen und sah dann Mencheres. Eine Sekunde zuvor war er noch nicht da gewesen, als müsste sie daran erinnert werden, wie verdammt schnell er war.
» Ich sollte dir ein Glöckchen umbinden«, sagte Kira, bevor sie ihr Gehirn einschalten konnte.
Statt verärgert oder verwirrt zu sein, senkte Mencheres den Kopf. » Verzeihung, ich wollte dich nicht erschrecken.«
Die Förmlichkeit in Person. Die Situation immer völlig unter Kontrolle– bis auf diesen Morgen im Lagerhaus. Welcher war der echte Mencheres? Willst du das wirklich wissen?, fragte ihre innere Stimme.
Nein, wohl eher nicht. Insbesondere nicht unter diesen Umständen, solange sie in diesem goldenen Käfig festsaß.
» Ich möchte meine Schwester noch mal anrufen.« Einerseits war es ihr zuwider, wegen einer solchen Alltäglichkeit um Erlaubnis zu bitten, andererseits sagte
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