Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
hätte …
» Tschüss, bis morgen«, sagte sie nur und winkte noch einmal.
Mit dem Auto brauchte man zum West Loop ungefähr genauso lange wie zu Fuß und mit der Green Line, wie Kira feststellte. Dennoch war es ein Riesenvorteil für sie, nicht mehr den schweren Rucksack mit sich herumschleppen und an jeder düsteren Ecke Angst haben zu müssen, wenn sie spätabends von der Arbeit kam. Für die Körperertüchtigung würde sie sich jetzt eben ein Laufband oder ein Abo beim Fitnesscenter zulegen müssen.
Als sie in die zu ihrer Wohnung gehörende Garage fuhr, konnte Kira nicht anders, als sich kurz umzusehen. War Mencheres in der Nähe? Die Vorstellung elektrisierte sie. Oder hatte er Frank im Büro hypnotisiert, ohne dass jemand etwas mitbekommen hatte? Immerhin möglich. Mencheres war so schnell, dass er hätte hinein- und hinausgelangen können, ohne von Kira oder sonst jemandem bemerkt zu werden.
Und warum hatte er das überhaupt getan? Aus Spaß? Langeweile? Oder zum Zeichen, dass er von ihr gefunden werden wollte? Mencheres wusste, dass sie für einen Privatdetektiv arbeitete. Er wusste, dass einige Klienten ihr von seltsamen Ereignissen erzählt hatten, die sie damals nicht recht hatte glauben wollen, deren möglichen Wahrheitsgehalt sie allerdings jetzt nicht mehr ganz von der Hand weisen konnte. Wenn die Gehirnwäsche, die Mencheres ihrem Chef verpasst hatte, seine Art war, eine Spur aus Brotkrumen zu legen, um zu sehen, ob Kira ihr nachgehen würde, war seine Rechnung aufgegangen. Die mögliche Aussicht, ihm noch einmal zu begegnen, nicht als Gefangene, sondern als Frau, löste einen neuerlichen erwartungsvollen Schauder in ihr aus. Aus tausend guten Gründen war es ein Fehler, noch einmal Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber ihr Instinkt war stärker als alle Zweifel. Also schön, Mencheres. Ich habe den Köder geschluckt.
Zweimal musste sie vom Wagen zu ihrer Wohnung laufen, bis alle Aktenkartons in ihrem Wohnzimmer waren. In jedem der Fälle kam ein Ereignis mit möglichem paranormalem Hintergrund vor, sei es ein aberwitziger Zeugenbericht, unerklärliches Beweismaterial von einem Tatort oder Gerüchte, die in Richtung Okkultismus gingen. Kira wollte alle Fälle durchgehen, bis sie einen gemeinsamen Nenner gefunden hatte. Mencheres war zwar während ihrer Gefangenschaft kaum aus dem Haus gegangen, aber sie hatte den Eindruck, dass dieses Verhalten für ihn nicht typisch war– genauso wenig wie für die meisten anderen Vampire.
Jetzt würde sie ihrem Instinkt folgen. Mit etwas Glück würde sie irgendwo in diesen Akten etwas finden, das sie zu Mencheres führte. Falls nicht, würde sie im Internet weitersuchen.
Oder ein Fledermausbild ins Fenster kleben und darunter ein Willkommensschild, aber das wäre dann wohl doch ein bisschen zu dick aufgetragen.
Sie nahm den ersten Hefter zur Hand. Immer den Brotkrumen nach.
Gorgon erschien in der Schlafzimmertür, aber Mencheres machte gar nicht erst die Augen auf. Er wusste, wen Gorgon ankündigen wollte. Er hatte ihn kommen hören.
» Sag ihm, ich bin sofort unten«, wies Mencheres den Vampir an.
» Ja, Herr«, antwortete Gorgon.
Als der andere die Tür geschlossen hatte, öffnete Mencheres die Augen. Einige endlose Augenblicke lang starrte er an die Decke, wobei sein Blick nicht den zarten Mustern, sondern der Zukunft galt, in der Hoffnung, etwas habe sich geändert. Vielleicht hatte der neue Lebenswille, den Kira in ihm ausgelöst hatte, die Zukunft irgendwie beeinflusst.
Seine Macht streckte ihre Fühler aus, durchdrang den dünnen Schleier, der das Jetzt vom Später trennte, doch statt Personen, Orten oder Ereignissen sah er Finsternis, so weit und unergründlich wie das Weltall.
Die Unterwelt Duat erwartete ihn. Alles wie zuvor.
Mencheres stieg aus dem Bett. Sein Schicksal war noch immer der Tod, doch statt sich damit abzufinden, wie beim ersten Mal, als er die endlose drohende Leere vor sich gesehen hatte, war er jetzt verärgert. Den Tod empfand er inzwischen als bittere Niederlage, nicht mehr als logische Chance, Radjedef einen Strich durch die Rechnung zu machen und gleichzeitig die Bürden loszuwerden, die er so lange zu tragen gehabt hatte; und all das lag allein an Kira.
Er schob das Kinn vor. Wie grausam die Götter doch waren, sie ihm jetzt zu schicken. Sie entfachte neuen Lebensmut in ihm, wo er keine Zeit mehr hatte.
Erst recht nicht für Gejammer über sein Schicksal, ermahnte sich Mencheres. Er nahm die Aktenmappe aus dem
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