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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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reden können, ohne dass mich jemand dabei stört.«
    »Aber deine Mutter wollte nur höflich sein.«
    »Sicher. Nur wenn wir erst mal bei ihr im Zimmer Platz genommen hätten, wären wir in den nächsten zwei Stunden nicht wieder herausgekommen.«
    »Na und? Ich finde, deine Mutter ist eine sehr sympathische Frau.«
    »Schon. Aber ich möchte endlich mal ein paar Minuten mit dir allein sein.«
    »Ich habe doch noch den ganzen Abend Zeit für dich, Jonathan.«
    Welche Gnade! »Endlich. Setz dich doch.« Kaum hat sich Mara auf das Sofa niedergelassen, klopft es. »Ja?«, rufe ich durch die Tür.
    »Ich will euch nicht stören. Ich wollte nur fragen, ob ihr Tee und Kuchen wollt.«
    Am liebsten würde ich Esel erdrosseln. Aber sie weiß, dass mir jetzt die Hände gebunden sind, und nützt die Situation schamlos aus.
    »Hast du Hunger, Mara?«
    »Nein.«
    »Danke, Esel, wir haben keinen Hunger«, krähe ich.
    »Aber Jonny, das kannst du doch nicht machen.«
    »Weshalb?«
    »Das wäre unhöflich.«
    Haben sich die beiden verbündet, um mich vollkommen verrückt zu machen? Warum bin ich nicht ein Goj? Bei denen trifft man sich, säuft Bier und Schnaps und geht dann miteinander ins Bett. Keine Mutter zwingt sie zum Teetrinken. Tee – auch typisch. Kaffee ist ungesund, der regt nur auf. Nur komisch, dass die Gojim normalerweise ruhig sind, während es bei uns vor neurotischen Hektikern nur so wimmelt.
    »Komm schon rein, Esel.« Augenblicklich öffnet sich die Tür. »Ich möchte euch auf keinen Fall stören.« Hexe! Heuchlerin!
    »Aber Frau Rubinstein, das tun Sie doch nicht. Ich würde mich sehr über ein Glas Tee freuen.«
    Erstick dran!
    »Und ein bisschen Kuchen?«
    »Danke. Ich habe schon gegessen.«
    »Es ist aber ein Lejkach 1 .«
    »Gut, aber nur ein klein wenig.«
    »Sofort.«
    Esel verlässt den Raum, um den Kuchen zu holen. Weshalb macht sie das ganze Theater? Sie möchte doch auch, dass ich mit Mara gehe. Was stört sie mich denn dauernd? Esel glaubt offenbar, dass nur sie allein weiß, wie es gemacht wird. Sicher wird sie auch in der Hochzeitsnacht danebenstehen und meiner Frau Lejkach und Tee anbieten.
    »Jonathan, weshalb nennst du deine Mutter Esel?«
    Weil sie ein verdammtes Grauhaar ist und du eine blöde Nuss!
    »Das ist ein Kosename. Als Kind in Israel wollte ich unbedingt einen Esel haben. Deshalb habe ich meine Mutter fortan Esel genannt.« Wenn ich damals ihre wahre Natur erkannt hätte, hätte ich sie Egel genannt.
    »Das finde ich aber schön.« Genauso schön wie du.
    Esel ist wieder im Zimmer und hantiert umständlich mit Teekanne und Kuchenbesteck.
    »Kann ich Ihnen etwas abnehmen, Frau Rubinstein?«
    »Danke, Mara. Weißt du, ich mache das schon über 40 Jahre.«
    Dann hör endlich auf damit, du Klette!
    »Jonathan, willst du vielleicht doch einen Lejkach mit Tee?«
    Tee-ren will ich dich, du Nervensäge. Beruhig dich, Reb Jid! Wenn du dich jetzt auf eine Streiterei mit ihr einlässt, hast du den ganzen Abend keine Ruhe.
    »Eigentlich ja.«
    »Na also.«
    Ich weiß nicht, wer mehr über diesen gelungenen Dressurakt beglückt ist, Esel oder Mara. Meinen Test als schlappschwänziger jüdischer Sohn habe ich soeben mit Auszeichnung absolviert und damit die besten Anlagen zum jüdischen Pantoffelhelden bewiesen. Verdammt will ich sein, wenn ich mich auf so was einlassen werde.
    Esel verlässt hocherhobenen Hauptes die Stätte ihres Triumphs.
    »Siehst du, Jonny. Jetzt sind wir alleine.«
    Ja, nachdem ich vor euch Hexen zu Kreuze gekrochen bin. Ruhe, Rubinstein! Vor lauter Ärger hast du offenbar ganz vergessen, weshalb du sie überhaupt eingeladen hast.
    »Freust du dich schon darauf, in Israel zu leben?«
    »Sehr. Hier stehen wir alle am Rande der Gesellschaft. In Israel dagegen bin ich wie jede andere und kann am Aufbau unseres Staates mithelfen.«
    Wie jede andere! Fängt mit einer Viertelmillion-Wohnung und einem ordentlichen Monatswechsel von Papi an. Behält gewiss ihren deutschen Pass, um nicht zum Militär zu müssen. Und baut Israel auf!
    »Wirst du zur Armee gehen?«
    »Sicher, nach meinem Studium.«
    Also nie, denn du studierst doch nur in Israel, um einen Macker zum Heiraten kennenzulernen. Halt bloß deine Fresse, Rubinstein! Du redest dich sonst noch um Kopf und Schmock.
    »Das finde ich gut. Weißt du, auch ich habe vor, nach dem Abitur nach Israel zu gehen. Da werden wir uns sicher oft sehen.«
    »Wie wirst du dein Studium finanzieren?«
    Genau wie Esel. Zaster ist alles.
    »Ich

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