Rubinsteins Versteigerung
auf die Stirn.
»Ich freue mich schon auf morgen.«
»Ich auch, Mara.«
FLIEGENDER WECHSEL
»Was hast du Rachel mitgebracht, Jonny?«
»Nichts. Wieso?«
»Du weißt doch, dass ihr Bruder vor einem Jahr gestorben ist.«
»Was hat das mit dem Mitbringen von Geschenken zu tun?«
Mara schüttelt ihr Giraffenhaupt. »Aber Jonny, natürlich bringt man keine Geschenke zu einer Beerdigung. Aber heute, zur Jahrzeit von Micki, ist Rachel gewiss sehr traurig. Da ist es doch eine schöne Geste, sie durch ein kleines Präsent abzulenken.«
Was soll das ganze Gefasel? Mit Geschenken von der Trauer ablenken! Die Alte will mich bloß beherrschen. Auf eine noch viel raffiniertere Art als Esel: indem sie mir andauernd ihre moralische Überlegenheit demonstriert. Außerdem, wo soll ich den Zaster für ein ›Präsent‹ hernehmen? Ich muss jetzt jeden Pfennig sparen, um Fred wenigstens einen Teil des zerstörten Autos zu ersetzen.
»Das sehe ich anders, Mara. Ich glaube, es ist wichtiger, Rachel zu besuchen und sie durch unsere Gegenwart aufzuheitern. Ein Geschenk finde ich überflüssig.«
»Und ich meine, dass ein Geschenk etwas Bleibendes ist. Es wird sie stets an unseren Besuch erinnern. Aber bitte, wie du meinst.« Sie presst ihre Lippen zusammen.
»Mara, in diesem Punkt haben wir eben verschiedene Ansichten. Ich schreibe dir doch auch nicht vor, Rachel nichts mitzubringen.«
»Niemand hat dir etwas vorgeschrieben, Jonny! Ich habe dir lediglich meine Ansicht dargelegt.«
›Dargelegt.‹ Noch schlimmer als Esel, die sagt wenigstens ›nur ihre Meinung‹. Beruhige dich, Rubinstein. Sonntag war es doch gar nicht so schlecht. Was hast du davon, wenn du dich dauernd mit der Alten zankst, statt dich mit ihr zu amüsieren.
»Entschuldige, Mara. Es tut mir leid. Außerdem habe ich im Moment sowieso kein Geld.«
»Aber Jonny«, ihre Miene hellt sich auf, »das macht doch nichts. Wir sagen einfach, wir hätten das Geschenk zusammen gekauft.«
»Was ist es denn?«
»Eine kleine Goldbrosche.«
Die Tante will mich nicht nur ihre moralische, sondern auch noch ihre finanzielle Überlegenheit fühlen lassen.
»Mara, das ist sehr nett von dir, aber ich kann es nicht annehmen.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich nicht lügen will. Ich kaufe an der Ecke ein paar Blumen.«
»Wie du meinst.«
Wenn du wüsstest, wie ich es meine!
»Das ist aber nett, Jonny, dass du auch mitgekommen bist. Kommt doch rein. Mensch, danke für die Blumen. Ich muss sie sofort in die Vase stellen.« Rachel scheint sich tatsächlich zu freuen. War vielleicht gar nicht so falsch, ihr das Gemüse zu schenken.
»Wie komme ich zu der Ehre deines Besuches, Jonny?«
»Weißt du, Rachel, das hat weniger mit Ehre zu tun als mit einer Einladung. Wenn man mich einlädt, komme ich gern vorbei. Ganz besonders, wenn du es bist.« Soll Mara ruhig ein bisschen eifersüchtig werden. »Heute habe ich mich sogar ohne Einladung eingeschlichen.«
»Das ist aber nett von dir.«
Schau an. Die Alte versucht mit mir zu flirten. Recht so!Mara sieht zwar etwas besser aus. Aber Ruchale 1 ist auch nicht ohne: die deutsche Gretel, wie sie leibt und lebt. Groß, blond, blauäugig. Ein Jammer, dass sie keine Arierin ist. Und sie hat wirklich nette Augen. Ruhig, klar und doch ein wenig verschleiert. Kurzum – kein widerborstiges Wesen.
»Jonny, was du in der ›Sinai‹ gesagt hast, hat mir gefallen. Vor allem, dass du keine Angst hattest, dass dich Polzig rauswirft.«
»Rachel, auch ich habe dir eine Kleinigkeit mitgebracht.«
»Danke, Mara, die Brosche ist sehr schön.«
Sehr schön! Besser hätte sie Mara wirklich nicht ins Leere laufen lassen können. Geld ist eben nicht alles, meine liebe Mara. Rubinstein, jetzt bleib am Ball!
»Rachel, hast du nicht Lust, in den neuen Sinai-Vorstand zu gehen?«
»Ich, wieso?«
»Du bist doch immer dabei.«
»Aber der alte Vorstand ist doch noch im Amt. Und Arale, Henry und Miri kandidieren sicher wieder.«
Angebissen. »Du glaubst doch nicht, dass die Typen von irgendjemandem wiedergewählt werden, nachdem sie letzten Dienstag als Ganoven entlarvt worden sind. Ich bin sogar ziemlich sicher, dass sie nicht wieder kandidieren werden, um sich nicht vollkommen zu blamieren. Nein, die Polzig-Ära ist unwiderruflich vorbei. Was wir jetzt brauchen, ist ein junger, aktiver Vorstand, der die Leute mitreißen kann. Keine Kungelei! Öffentliche Vorstandssitzungen, an denen jeder teilnehmen und seine Meinung sagenkann. Dann kommt wieder
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