Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
Vom Netzwerk:
unterwürfige Rachel Blum so konsequent in jüdischer Familienplanung macht – und so plötzlich!
    »So genau weiß ich es auch nicht. Könntest du deine Frage vielleicht deutlicher stellen?«
    Sie sieht mich verzweifelt an. Ihre roten Ohren zeigen, dass das ganze Theater ihr auf die Nerven geht, aber es muss sein – glaubt sie. »Ich möchte wissen, wie du zu mir stehst, was du für mich empfindest.« Ihre helle Stimme hat Sprünge bekommen.
    »Ich mag dich gern, Rachel.«
    »Ist das alles?«
    Verdammt. Sie ist eine echt nette Frau. Und sie liebt mich. Das heißt in ihrer jüdischen Logik, sie will mich heiraten. Aber ich liebe sie nicht. Deshalb kann ich sie nicht heiraten. Soll ich sie jetzt anlügen, um noch einige Wochen mit ihr befreundet zu bleiben? Dafür habe ich sie zu gern – Mist. »Ja, das ist alles.« Ich kann ihr nicht ins Gesicht sehen.
    »Gut.«
    »Soll ich dich nach Hause begleiten?«
    »Nein. Ich kann alleine gehen.«
    Gerade heute, wo ich mich so auf das Geknutsche gefreut hatte, kommt sie mir mit einem Heiratsantrag. »Guten Schabbes, Rachel – und bleib mir gesund.«
    »Du auch, Jonny.«
    Ich traue mich nicht, sie anzusehen. Sicher heult sie. Ich bleibe stehen und warte, bis ich sie weitergehen höre.

INFARKT
    Ist Esel heute vollständig übergeschnappt? Fehlt einfach zu Mittag! Das hat sie noch nie gewagt. Will mich wohl verhungern lassen, um zu verhindern, dass ich nach Israel gehe. Soll sein. Irgendwas wird ja noch im Kühlschrank rumflattern. Genau! Das obligate gekochte Huhn und sogar noch ein bisschen Suppe. Ich futtere am besten den Vogel kalt, sonst gibt es zu viel Theater mit dem Aufwärmen und Abkühlen.
    Komisch, ihre Tasche ist auch da. Esel tut doch sonst keinen Schritt ohne ihre Scheißhandtasche. Sie müsste also jeden Augenblick kommen. Müsste! Ich bin schon seit ein Uhr hier, und die Alte hat noch nicht mal angefangen zu kochen. Vielleicht hat sie wieder eine ihrer obligaten Migränen und macht ihren Arzt verrückt. Aber dann wird sie doch nicht stundenlang dort hocken, sondern sich vordrängen: »Wenn ich nicht sofort behandelt werde, kriege ich einen Kollaps.«
    Da ist sie ja. Auf ihre unverkennbare Art öffnet sie die Türe.
    »Sag mal, Esel, wo steckst du eigentlich die ganze Zeit?«
    Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Esels Gesicht ist bleich, ihre Augen stumpf, die Haare zerzaust, die Schultern hängen durch, sie hebt kaum die Füße beim Gehen.
    »Was ist denn mit dir geschehen, Esel?«
    »Friedrich ist im Krankenhaus.« Ihre Stimme ist matt.
    Ich spüre mein Herz rasen. »Was fehlt ihm?«
    »Herzinfarkt.«
    »Und?«
    »Was heißt und? Du kannst es wohl nicht erwarten, dass er stirbt?«
    »Ich will wissen, was der Arzt sagt.«
    »Nichts! Man muss warten.«
    »Dann wird es schon nicht so wild sein.«
    »Was redest du für einen Unsinn. Sie haben extra unsere Telefonnummer verlangt und gesagt, dass es ernst ist. Und schuld an allem bist du!« Jetzt schreit sie, ihre Augen glänzen wieder.
    »Darf man wissen warum, du dumme Nuss?«, brülle ich zurück.
    »Da fragst du noch? Was meinst du, wie sich Friedrich darüber aufgeregt hat, dass du uns im Stich lassen willst, um nach Israel zu gehen.«
    »Du meinst wohl, wie sehr du ihn damit belämmert hast, dass er mich zwingen soll hierzubleiben?«
    »Du Auswurf! Es genügt dir nicht, deine Eltern zu schlagen, du musst sie so aufregen, dass sie sterben.«
    »Genau! Und jetzt sag mir, wann ich Fred besuchen kann.«
    »Ab vier ist Besuchszeit.«
    »Und wo liegt er?«
    »Im Krankenhaus ›Am Biederstein‹.«
    »Gut, ich fahre in einer Stunde hin.«
    »Du fährst nicht hin, wir fahren zusammen.«
    »Wenn ich dich sehe, fahre ich immer zusammen.«
    »Dir ist nichts heilig. Dein Vater liegt im Sterben, und du machst Witze und freust dich.«
    »Genau! Also gut, in einer halben Stunde fahren wir zusammen hin.«
    Ich gehe in mein Zimmer, werfe mich aufs Bett. Verdammt, wie plötzlich so etwas passieren kann. Infarkt, Tod, das waren bisher unwirkliche Begriffe für mich. Und jetzt kann Fred jeden Moment sterben. Vielleicht ist er schon tot oder stirbt gerade in diesem Moment. Verflucht, warum gerade Fred? Als Belohnung dafür, dass er seine Familie vor den Nazis gerettet hat und für Esel und mich wie ein Ochse schuftet? Was passiert, wenn er tatsächlich abkratzt? Wovon soll Esel dann leben? Kann ich dann noch, mir nichts, dir nichts, nach Israel abhauen und sie hier alleinlassen? Und was wird mit dem Auto geschehen? Das könnte

Weitere Kostenlose Bücher