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Rubinsteins Versteigerung

Rubinsteins Versteigerung

Titel: Rubinsteins Versteigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Seligmann
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jetzt eigentlich ich benützen. Rubinstein, du bist das letzte Schwein! Dein Vater liegt im Sterben, und du überlegst, ob du sein Auto haben kannst. Was soll ich sonst tun? Wenn ich mir vorstelle, dass er wirklich abtritt, werde ich verrückt. Und ich habe ihn geschlagen. Er darf nicht sterben, lieber Gott, bitte!
    Esel reißt die Tür auf. »Wie lange willst du Vater noch warten lassen?«
    »Wieso? Es ist doch nicht mal halb drei!«
    »Bis wir dort sind, ist es vier.«
    Kann sein, aber ich habe Angst, hinzugehen, ihn krank und leidend oder gar tot sehen zu müssen. »Gut, ich bin fertig.«
     
    Um die offizielle Besuchszeit schert sich Esel überhaupt nicht. »Du wartest vor dem Zimmer, ich muss erst mit dem Arzt sprechen.«
    Das ist natürlich gelogen. Woher will sie wissen, dass sich der Arzt gerade in Freds Zimmer aufhält? Wahrscheinlichwill sie zuerst allein feststellen, wie es Fred geht, oder ihm zeigen, dass sie ihn noch mehr liebt als ich, oder was weiß der Teufel … Auf jeden Fall traut sie sich ins Zimmer, während ich feige draußen warte. Esel ist jetzt schon zehn Minuten drin. Vielleicht spricht sie wirklich mit dem Arzt. Was soll’s? Ich muss jetzt rein. Ewig kann ich mich ja nicht draußen verstecken. Irgendwann muss ich ihn sehen, wie er jetzt ist – es geht nicht anders. Wenn schon, dann gleich. Ich drücke die Türklinke herunter. Meine Hand ist feucht, das passiert mir sonst nie, nicht mal vor Prüfungen. Im Krankenzimmer schlägt mir ein Duftgemisch aus Desinfektionsmitteln, Medikamenten, menschlichen Exkrementen und Schweiß entgegen. Vor mir stehen auf jeder Seite des Raumes fünf, sechs weißgelb lackierte Eisenbetten auf Rädern. Meist ältere Männer in buntgestreiften Pyjamajacken stecken in grellweiß bezogenem Bettzeug. Ich wage es nicht, nach Fred Ausschau zu halten. Esel sitzt an der Seite des letzten Bettes zur Linken. Ich gehe auf sie zu, traue mich aber immer noch nicht, auf das Bett zu blicken. Jetzt hat sie mich bemerkt.
    »Wieso bist du reingekommen?«, zischt sie.
    Endlich wage ich es, auf Fred herabzublicken. Er sieht nicht mal besonders blass aus – Gott sei Dank! Nur seine Augen wirken benommen. Auch die Lider hängen tiefer herunter als üblich. Ich trete neben das Bett. Jetzt erst bemerkt er mich, Leben kommt in seinen Blick. Er will sich aufsetzen.
    »Friedrich, du weißt, der Arzt hat dir verboten, dich zu bewegen.«
    Ich küsse ihn auf die Stirn. »Wie geht es dir, Fred?«
    »Vater darf nicht reden. Der Arzt hat es ihm verboten.«
    »Ist schon gut, Klara«, er flüstert. »Es geht einigermaßen.«
    »Friedrich, bitte sei ruhig, tu nichts. Genau wie der Arzt es uns gesagt hat.«
    »Wie geht es dir in der Schule?« Sogar jetzt!
    »Friedrich!« Nicht mal hier kann die alte Hexe ihn in Ruhe lassen.
    »Hervorragend, Fred, ich verspreche dir, du musst dir nicht die geringsten Sorgen machen. Ich werde das Abitur schaffen – Ehrenwort!«
    »Und danach die kranken Eltern alleine lassen und nach Israel gehen.« Um mich bei sich festzuhalten, ist ihr wirklich jedes Mittel recht.
    »Klara, bitte.«
    »Entschuldige, Friedrich, aber du weißt, dass ich seit Wochen nachts kein Auge zumachen kann, weil uns dein Sohn im Stich lassen und noch dazu sein Leben wegschmeißen will.«
    »Klara, bitte geh jetzt raus, ich muss einen Moment mit Jonathan allein sprechen.«
    »Nein! Du darfst dich jetzt nicht aufregen, schon gar nicht über deinen verrückten Sohn.«
    »Esel, du gehst jetzt!« Ich bin erstaunt über die Bestimmtheit, mit der ich diese Worte ausspreche. Gleichzeitig nehme ich sie am Arm, ziehe sie hoch, führe sie zur Tür und dränge sie sanft hinaus. Sie wehrt sich kaum. »Jetzt bleibst
du
einen Moment draußen. Ich hole dich sofort«, sage ich ihr im Gang.
    »Rege ihn um Gottes willen nicht auf, Jonny!«
    »Ich schwöre es.« Zurück in Freds Zimmer, hocke ich mich vors Bett, ergreife seine Hand, die leicht und kraftlos ist.
    »Fred, du musst dir keine Sorgen machen, ich werde alles zu deiner Zufriedenheit erledigen – bis du wieder zu Hause bist.«
    »Ich weiß. Aber darum geht es mir nicht.«
    Er atmet ein paarmal durch. »Ich weiß nicht, ob ich das hier überlebe.« Tränen treten in seine Augen. Dass er trotz allem, was ihm sein Leben lang angetan wurde, immer noch so natürlich reagieren kann!
    »Red keinen Unsinn, in ein paar Tagen bist du wieder zu Hause.«
    »Jetzt redest du Unsinn. Ich weiß wirklich nicht, was aus mir werden wird. Dann steht Klara allein da. Ich

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