Rubinsteins Versteigerung
dir keine Rechenschaft schuldig.«
»Du täuschst dich, lieber Henry, das sind die Gelder der gesamten Gruppe, nicht dein Privateigentum.«
»Wie viel Geld haben wir denn jetzt in der Kasse? Ich möchte das auch gern wissen.« Mary Heilmann ergreift die Gelegenheit, sich an ihrem Ehemaligen zu rächen.
»Könnten wir erfahren, wie viel Geld wir in der Kasse haben?« Auch Moritz Kleiner will auf der richtigen Seite stehen.
»Ich kann es nicht genau sagen, etwa 150 bis 200 Mark.«
»Wir haben in den letzten 18 Monaten 700 Mark Mitgliedsbeiträge gezahlt. Wohin sind 500 Mark verschwunden?«
»Jetzt ist aber Schluss, Rubinstein! Wir wollen heute Abend keinen Kassenbericht hören, sondern über Zionismus reden.« Polzigs Kopf wird noch röter.
»Genau das wollen wir eben nicht! Wir wollen Zionismus praktizieren, zumindest damit anfangen. Ein erster Schritt dazu ist Ehrlichkeit. Ich möchte endlich wissen, was eigentlich mit unserem Geld geschieht, und damitbin ich hier im Raum bestimmt nicht der Einzige«, schreie ich.
»Der Meinung bin ich allerdings auch«, schau einer an, Ruthi Seelig hat auch schon erkannt, wer heute Abend der Stärkere ist.
»Seid endlich ruhig! Entweder sprechen wir heute über Einwanderung nach Israel, oder ich breche unser Treffen ab.«
»Sie können brechen, so viel Sie wollen. Ich stelle hiermit den Antrag, dass der Schatzmeister auf der Stelle gezwungen wird, Auskunft über den Verbleib unserer Mitgliedsbeiträge zu geben.«
»Das werde ich nicht zulassen! Hier wird niemand zu etwas gezwungen, schon gar nicht von einem Flegel wie dir, Rubinstein.«
»So kommen wir nicht weiter. Da der Kassenwart nicht willens oder in der Lage ist, Auskunft zu erteilen, beantrage ich Neuwahlen. Auf diese Weise ist der Vorstand verpflichtet, bis zur nächsten Sitzung einen Kassenbericht vorzulegen«, meint Peter ruhig.
»Ich möchte diesen Antrag unterstützen!« Dumm ist er nicht, der Aaron Blau. Hat die ganze Zeit die Klappe gehalten und abgewartet. Jetzt, da praktisch alles entschieden ist, versucht er, sich auf die Seite der neuen Mehrheit zu schlagen. Soll’s Henry allein ausbaden. Aber so einfach kommst du mir nicht davon, Arthur. Du hast genauso mitgefressen wie die anderen. Du hast mich immer fühlen lassen, dass du im Vorstand sitzt und ich nicht. »Wer gegen Wahlen am nächsten Dienstag ist, soll die Hand heben.«
»Das liegt nicht in deiner Kompetenz, Rubinstein. Umbösartigen Unterstellungen das Wasser abzugraben, bin ich dafür, dass wir in der nächsten Sitzung Wahlen machen. Ich bitte diejenigen, die auch meiner Meinung sind, ihren Finger zu heben.« Gib dir keine Mühe, Polzig. Du hast verloren. Mich lasst ihr nicht mehr vor der Tür stehen.
Nur Henry Nelkenbaum hat den Mut, seine Pfote nicht zu heben. »Außer einer Enthaltung sind alle für Wahlen am nächsten Dienstag. Ich bitte euch, vollzählig zu erscheinen. Ich möchte jetzt die Sitzung beenden. Gute Nacht und Schalom.«
War das der Mühe wert, weil du zwei Minuten vor der Tür gestanden hast? Ja, denn irgendwann musste das Fass überlaufen. Diese Heuchelei und die dauernden Demütigungen Polzigs und seiner Lakaien konnte ich nicht länger ertragen. Vor allem – hier kann ich’s den Burschen heimzahlen. In der Schule dagegen bin ich allein.
MÖRDER
»Du bekommst den Wagen nicht.«
»Weshalb nicht, wenn man fragen darf?«
»Weil deine Mutter der Ansicht ist, dass du wie ein Wahnsinniger fährst, und ich der gleichen Meinung bin.«
»Natürlich! Esel, die nicht einmal Rad, geschweige denn Auto fahren kann, ist der Meinung, dass ich wie ein Wahnsinniger Auto fahre, und du bist sofort ihrer Ansicht, du Schlappschwanz.«
»Wie sprichst du mit deinem Vater?«
»Wie es mir passt, alte Intrigantin.«
»Lass deine Mutter zufrieden!«
»›Lass deine Mutter zufrieden‹, ›wie sprichst du mit deinem Vater?‹. Kann denn keiner von euch für sich selbst sprechen?«
»Schau dir deinen Sohn an, Friedrich! Nicht genug, dass er uns beleidigt. Er möchte uns auch noch gegeneinanderhetzen.«
»Hund und Katze muss man nicht erst gegeneinanderhetzen. Aber euer Gezeter geht mich nichts an. Ich will nur das Auto – das ist alles.«
»Als Belohnung – weil du deine Eltern beleidigst?«
»Belohnung, Schmelohnung. Ich bin doch kein Zirkusaffe, der nach jeder Vorstellung zur Belohnung eine Banane bekommt. Heute ist Schabbes-Abend, die Sinai-Bande trifft sich, Friedrich sitzt müßig zu Hause, das Auto steht ungenützt vor der
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