Ruby Redfort: Gefährlicher als Gold (German Edition)
Schulkrankenschwester, gelang es nicht, Rubys Vater oder Mutter telefonisch zu erreichen. Das war nicht weiter überraschend, da Ruby deren Telefonnummern in den Schulunterlagen vor einiger Zeit abgeändert hatte. Die neuen Nummern leiteten sämtliche Anrufe der Schule auf einen Anrufbeantworter weiter, auf den Ruby mit verstellter Stimme aufgesprochen hatte: »Sollte Ruby heute aus irgendeinem Grund früher nach Hause kommen müssen, setzen Sie sie bitte einfach in ein Taxi. Ich bin auf jeden Fall zu Hause.« (Ruby konnte die Stimme ihrer Mutter täuschend echt nachmachen.) Auf diese Weise hatte sie sichergestellt, dass ihre Eltern nichts mitbekommen würden, wenn sie, wie an diesem Tag, mal etwas anderes vorhatte.
Ruby humpelte zum Taxi.
»Ich soll dich also in den Cedarwood Drive bringen?«, fragte der Taxifahrer.
»Nein, kleine Programmänderung – zu Joe’s Supermarkt in der Amster Street«, erklärte Ruby.
Der Fahrer zwinkerte ihr zu und nickte. »Ich war auch mal jung, Süße – keine Angst, meine Lippen sind versiegelt.«
7. Kapitel
Nicht anrufen, wir rufen an!
Als Ruby den Supermarkt betrat, wäre sie am liebsten wieder geflohen, denn die rockige, laute Musikbeschallung war eine Zumutung für ihre Ohren. Die alte Mrs Beesman war auch da und füllte emsig ihren Einkaufswagen mit ungefähr zweihundert Dosen Katzenfutter. Die Leute sagten, dass sie an die vierundsiebzig Katzen bei sich beherbergte, aber Ruby nahm nicht an, dass schon mal jemand bei ihr zu Hause gewesen war und genau nachgezählt hatte. Ihr fiel auf, dass Mrs Beesman Ohrenschützer trug.
Ganz schön clever, die Frau. Denn von der Musik hier konnte man einen bleibenden Hörschaden davontragen!
Langsam schritt Ruby die Gänge ab und besah sich die Auslagen, bis sie endlich entdeckte, wonach sie gesucht hatte. In einem Regal, das mit künstlich gefärbten Törtchen und Keksen angefüllt war, stand etwas, das hier definitiv nichts zu suchen hatte. Eine Packung Bio-Kräcker, die irgendwie nach Pappe aussahen. Laut Aufschrift waren sie ein leckerer, nahrhafter, köstlicher Snack – ohne Zucker, Eier, Weizen oder andere Zusätze , aber die Packung sah, ehrlich gesagt, besser aus als der Inhalt.
Gesunde Kräcker in Joe’s Supermarkt, das passte nun wirklich wie die Faust aufs Auge!
Ruby warf einen Blick auf das Preisschild, und tatsächlich stand Organic Universe darauf. Ruby dachte an die Worte der mysteriösen Frau zurück.
»… der selbst winzige Details auffallen … wenn etwas am falschen Platz ist …«
Mit der Kräckerpackung unter dem Arm verließ Ruby das Geschäft und ging zum Reformhaus Organic Universe , das genau gegenüber lag. Das hölzerne Windspiel klimperte leise, als sie eintrat, und der typisch gesunde Bio-Duft schlug ihr entgegen. Sie ging direkt auf das Regal mit den Vollkornkeksen zu, und dort lag, neben zwei weiteren Packungen dieser Kräcker, ein Telefonbuch. Sie legte die mitgebrachte Packung, die sich in Joe’s Supermarkt verirrt hatte, an ihren Platz zurück, nahm das Telefonbuch und ging damit zu dem öffentlichen Telefon im Eingangsbereich.
Und wie geht’s jetzt weiter?, fragte sie sich.
Über und neben dem öffentlichen Telefon hingen Hunderte Prospekte und Broschüren für alle möglichen gesundheitsfördernden Behandlungen, von Farbtherapie bis zu Wasser-Shiatsu, und auch … ein Kärtchen, etwa so groß wie eine Visitenkarte, auf dem einfach nur stand: Nicht anrufen, wir rufen an!
Ruby hängte das Kärtchen ab und betrachtete es eingehend, doch abgesehen von dem Muster am Rand war nichts Auffälliges zu entdecken. Die Rückseite war leer. Keine weitere Information. Ruby setzte sich auf den Stuhl neben dem Telefon und wartete. Nach fünfundzwanzig Minuten wurde der Mann an der Kasse misstrauisch und schielte immer wieder zu ihr herüber.
»Kann ich dir weiterhelfen?«, fragte er schließlich äußerst unfreundlich. Er war ein junger Typ, der sehr nervös wirkte und eine Nase hatte, die viel zu groß für sein Gesicht war. Deshalb wirkte sein Gesicht irgendwie komisch.
»Nein, danke, alles okay«, antwortete Ruby so lässig wie möglich. »Ich gebe Bescheid, wenn ich etwas brauche.«
Der Großnasige wollte sich offensichtlich nicht mit einer Schülerin anlegen, ließ sie aber nicht aus den Augen.
Ruby starrte auf den Minutenzeiger, der sich langsam über das Zifferblatt bewegte, während der Typ mit der großen Nase durch den Laden schlenderte und Ruby weiterhin argwöhnisch beäugte. Falls
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