Ruby und Niall
aufräumen, legte sich dann auf das Bett und berieselte sich mit dem Fernsehprogramm. Er hätte nach unten gehen können ans Haustelefon, um Ruby anzurufen, aber er fürchtete, dass die falschen Personen das Gespräch mitbekommen könnten und dass Ruby ihn dazu überreden könnte, sich noch am Abend irgendwo zu treffen. Er würde sie liebend gerne wiedersehen, aber in den nächsten Tagen musste er sein eigenes Leben in den Griff kriegen.
Unter dem Kopfkissen fand er eines der Bücher, die der Boss geschrieben hatte. Die Ausgaben flogen überall herum, nicht unbedingt, weil sie jeder las, sondern weil die persönlich signierten Exemplare an besondere Personen von ihnen verschickt wurden. Ab und zu verschwand da mal eines der Bücher.
Der Titel des Buches war "Disziplin und Ehrgeiz" und enthielt eine Sammlung Essays, die der Boss über die Jahre geschrieben hatte. Niall blätterte es durch, schaltete den Fernseher ein und blieb bei einer Quizsendung hängen, in der man Reisen zu Orten gewinnen konnte, wo niemand freiwillig hinwollte und Haushaltsgeräte, die niemand wirklich brauchte. Selbst der Moderator stierte unmotiviert in die Kamera und hoffte wohl, dass sich seine Verzweiflung versenden würde.
Nach der Pressekonferenz rufe ich sie an, dachte er, wenn ich mir ein neues Handy besorgt habe.
Er schlief bei laufendem Fernseher ein, das aufgeschlagene Buch auf seiner Brust.
Die Vorbereitungen zur Pressekonferenz für das neu erschienene Buch und die angesetzte Promotion-Tour verlief hektisch wie immer, aber ohne Patzer. Niall stellte die Krücke in die Ecke, weil er für die Verkabelung der Mikrofone sowieso unter die Tische kriechen musste. Wenn er ohne Krücke lief, sah er aus wie ein Seemann auf Landgang, legte das gesamte Gewicht auf das gesunde Bein und humpelte so schnell, wie er konnte. Michael ignorierte ihn. Die anderen wollten nur scheinbar nebenbei wissen, wo er so lange gesteckt habe und gaben sich mit Nialls Ausflüchten zufrieden. Hinter seinem Rücken sprachen sie allerdings über ihn und es war offensichtlich, dass Sean ihnen das meiste erzählt hatte.
Als Niall die Scheinwerfer rechts und links neben das Podium stellte, die Kabel mit schwarzem Isotape am Boden festklebte, rief Sean quer durch den Raum nach ihm.
"Wie weit bist du?"
"Fertig", rief er zurück.
Sean hatte sich bereits umgezogen, trug seinen dunkelblauen Anzug, ein weißes Hemd darunter und hatte sich bereits das Headset eingeschaltet. Er testete die Verbindung zu den Technikern, winkte ungeduldig zu Niall hinüber.
"Du bleibst im Hintergrund, okay? Wenn wir Probleme mit der Technik bekommen, rufe ich einen der Jungs. Ich will nicht, dass du mit dem Gipsbein Aufmerksamkeit erregst."
Die Journalisten wurden pünktlich hereingelassen, es herrschte eine lockere und aufgeräumte Atmosphäre, denn die meisten kannten sich aus und wussten, was sie zu erwarten hatten.
Niall hatte noch Zeit gehabt, mit einem der Techniker in die Stadt zu fahren und sich ein neues Handy zu kaufen, bevor er sich hinter der aufgebauten Bühne in die Ecke setzte, halb hinter dem schwarzen Vorhang verborgen. Er kam sich vor wie das Phantom der Oper.
Bevor es richtig losging, spielte er mit dem Handy herum, steckte es in seine Jackentasche, als Sean auf die Bühne trat. Der zeigte schon wieder ein Gesicht, das Milch sauer werden ließ.
Das kann ja was werden
, dachte Niall,
hoffentlich hat der Boss bessere Laune.
Der Boss hatte blendende Laune, es übertrug sich auf die Journalisten, Fotografen und Kameramänner, und alle lachten über seine üblichen Witze und Bonmots. Er bekam die üblichen Fragen zu seinem neuen Buch und zu folgenden Projekten gestellt und gab die üblichen Antworten, aber auf beiden Seiten saßen Profis, die die Routine nicht durchscheinen ließen. Sean, der für die Angestellten und Technik zuständig war, hielt sich am Rande der aufgestellten Stuhlreihen auf, während Michael einen auf Dickpisser machte und neben dem Boss auf der Bühne saß. Er sagte zwar keinen Ton, aber das musste er auch nicht. Niall konnte von seiner Position aus sein Profil sehen und sah schnell in die andere Richtung, als Michael sich kurz zu ihm herumdrehte.
Heute Abend rufe ich sie an, dachte er, Handy aufladen, ihre Nummer abspeichern.
Er fühlte sich direkt besser, wenn er an sie dachte, und konnte auch Michaels Anwesenheit verdrängen.
Die Pressekonferenz dauerte zwei Stunden, danach blieben noch einige Journalisten, weil sie hofften, noch ein paar
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