Ruby und Niall
ich nicht die Nerven für, nein."
Sie hatte mittlerweile Nialls Art zu sprechen übernommen, ohne es zu merken, und als er nur breit grinste, schlug sie in Gedanken ein Kreuz.
Ruby blieb im Garten, stapfte durch den Schnee, entdeckte die Spuren diverser Hunde und Katzen, die herumgestreunt waren, versuchte sich die Chancen auszurechnen, ob sie das Haus bekamen oder nicht. Es gab andere Häuser in Boston - schöner, besser, preisgünstiger - aber sie wollte dieses hier. Das Gefühl stimmte einfach.
Es dauerte endlos lange, ihre Füße hatten sich längst in Eisblöcke verwandelt, als Niall an der Hintertür stand und nach ihr rief.
"Und?", fragte sie. In der Manteltasche hielt sie beide Daumen fest in ihre Handflächen gedrückt.
"Ich hab's nicht gemietet."
Hinter ihm machte der Vermieter ein so entspanntes und zufriedenes Gesicht, dass Ruby eine Sekunde lang irritiert war. Sie schubste Niall mit der Schulter an und er sagte grinsend: "Ich hab's gekauft."
Es war eigentlich einfach gewesen. Der Vermieter stellte sich als Eigentümer des Hauses und Grundstückes heraus, der das Haus langfristig vermieten wollte, aber alle bisherigen Mieter waren bereits nach wenigen Monaten wieder ausgezogen; einige, ohne die volle Miete bezahlt zu haben. Das Haus war ihm ein Klotz am Bein und während er mit Niall den Mietpreis aushandelte, war er sehr erfreut, als Niall vorschlug, das Haus für eine annehmbare Summe einfach zu kaufen. Es war beiden klar, dass der Vermieter die notwendigen Reparaturen nur widerwillig durchgeführt hätte, und so trafen sie sich in der goldenen Mitte. Er war das Haus los, Niall und Ruby konnten in der Hütte tun und lassen, was sie wollten und das Geld, was sie für die Instandsetzung hineinsteckten, würden sie bei einem weiteren Verkauf wieder reinbekommen.
Während es für Niall zwar der erste Hauskauf, aber das Ganze für ihn nicht wirklich aufregend war, war Ruby vollkommen von der Rolle. Zuerst machte sie ihm Vorwürfe, dass er sie nicht gefragt hatte, sie hätte niemals zugestimmt, weil sie das Geld nicht hatte und sie hatte zu oft gesehen, was passierte, wenn man sich bei den Banken verschuldete. Ihre Eltern waren das perfekte Beispiel dazu. Ihre Eltern und eigentlich die gesamte Nachbarschaft im Trailerpark. Als Niall nur sagte, wegen des Geldes bräuchte sie sich keine Sorgen zu machen, das habe er schon im Vorfeld abgeklärt, erstarrte sie für eine Sekunde, rannte dann durch alle Räume, riss die Fenster auf, rückte die übrig gebliebenen Möbel herum, klopfte die Wände ab, sprang auf dem Bohlenfußboden herum. Niall wartete geduldig im kleinen Flur vor der Eingangstür, telefonierte mit Sean und sagte ihm, er habe etwas eingekauft.
"Wir können das kleine Zimmer für Albie einrichten, wenn er übers Wochenende zu uns kommt", sagte Ruby. Sie hatte mit ihrem Handy ein paar Fotos gemacht, strahlte über das ganze Gesicht. Es erstarb ganz langsam, als Niall sein Handy zuklappte und sagte, sie hätten zwei Wochen, um den Kauf und die ersten Reparaturen anzugehen. Er musste nach London.
Abschied
Ruby wusste nicht, worauf sie sich konzentrieren sollte; auf die Tatsache, dass sie die meiste Zeit allein sein würde, wenn Niall mit dem Boss unterwegs war, oder dass sie es gewagt hatte, ihre Mutter anzurufen und ihr zu sagen, dass sie nach Boston gegangen war.
Nach den ewigen Streitereien und auf beiden Seiten gewollten Missverständnissen hatte sie erwartet, dass ihre Mutter entweder abschätzig reagieren oder es ins Lächerliche ziehen würde. Aber am anderen Ende der Leitung blieb es für Sekunden still. Es schien, als habe sich der Trailerpark in New Jersey in Luft aufgelöst.
"Das ist das erste Mal seit Jahren, dass du mich anrufst", sagte ihre Mutter. Ruby war sich nicht sicher, weshalb sich ihre Stimme so seltsam anhörte. Möglicherweise unterdrückte sie ihre Gefühlsregung oder sie klang immer so, wenn sie freundlich war. Sie hatten so lange im Streit gelebt, dass Ruby es nicht einmal mehr sagen konnte.
"Und ich freue mich über diese gute Nachricht. Ich muss immer daran denken, wie sehr ihr beide als kleine Mädchen aneinandergehangen habt. Wie kleine Äffchen. Bist du bei Helen eingezogen?"
Ruby wollte ihr nichts von dem Haus erzählen. Sie fürchtete, ihre Mutter könnte auf einen Besuch vorbeikommen, obwohl sie seit Jahren die Stadt nicht mehr verlassen hatte, deshalb sagte sie, sie habe jemanden kennengelernt, mit dem sie zusammenziehen würde.
Wäre Niall in der Nähe gewesen,
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