Ruchlos
Fall.«
Während wir nebeneinander die Treppen in den ersten Stock hinabstiegen, erzählte ich Martin von meinem Fehler und den Folgen.
»Typisch, wenn man unter unmöglichen Bedingungen seinen Job gut macht, ist es selbstverständlich. Aber sobald man sich einen Fehler erlaubt, gibt’s Ärger.« Wir waren in der Redaktion angelangt. »Und es ist wirklich okay für dich, wenn ich jetzt die Leitung übernehme?«
Die Frage war Unsinn, da Martin schon genauso oft wie ich Andreas vertreten hatte, ich fand es aber nett, dass er sie stellte.
»Nun mach mal halblang. Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder hier bin.«
»Okay. Dann nimmst du deinen angestammten Platz in Beschlag.«
Noch war niemand außer Ingeborg da. Die stand schon mit der Zeitung in der Hand vor uns und wollte wissen, was mit Andreas passiert war. Ich schilderte erneut die Ereignisse, warf dann meine Tasche mit Schwung auf meinen Schreibtisch, der so durcheinander aussah, wie ich ihn am Vortag hergerichtet hatte, ließ mich auf den Stuhl fallen. Jonas Michaelis von hier zu vertreiben, war ein Aspekt, der mir besonders an meiner Rückkehr gefiel.
Die Sekretärin brachte ungefragt eine Tasse Kaffee, ich nippte ein wenig daran, obwohl er mir nicht schmeckte. Immerhin wurde mir nicht übel. Auch heute Morgen hatte ich mich nicht übergeben müssen. Vielleicht war das nun vorbei. Schön wäre es.
Waren die Schmierereien eine ernstzunehmende Bedrohung? Die Kripo schien davon auszugehen. Noch immer wusste ich nicht, ob es die gleichen Hooligans waren, mit denen Heinz Wachowiak sich beschäftigt hatte. Den Kollegen von der ›Zeit‹ würde ich später auf jeden Fall noch anrufen. Natürlich hatte ich ohnehin nie vorgehabt, mich mit irgendwelchen Schlägern persönlich zu treffen, aber gar keine Nachforschungen mehr anzustellen, das ging nicht an. Man musste auch weiter über diese Nazis berichten. Sonst hätten sie genau das erreicht, was sie mit ihren Angriffen auf Journalisten bezwecken wollten. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Sie hätten Andy töten können, keine Frage. Und sie wollten, dass uns genau das bewusst wurde.
Heinz Wachowiak. hätte einer der Hooligans in seine Wohnung kommen können, um ihn zu ermorden? Wohl kaum.
Aber auch die Chefärztin der Hyazinthus-Orthopädie hätte schwerlich Zugang zu seinem Schlafzimmer gehabt. Oder? Sehr gut möglich, dass sie Privatpatienten betrog und der alte Herr dem auf die Spur gekommen war. Und dann? War er zum Schweigen gebracht worden?
Mir schwirrte der Kopf, und ich war froh, als das Telefon mich aus den sinnlosen Grübeleien riss. Es war Dale.
»Morgen. Hast du das große Knirschen gehört?«
»Das große Knirschen?«
»Als die Räder angehalten wurden. Die Bestattung Heinz Wachowiaks ist gestoppt, Hantzsche hat eine Obduktion angeordnet.« Ich hörte ein Feuerzeug klicken.
»Was?« Das kam so laut heraus, das Christina, die gerade mit müdem Schritt in den Raum kam, aufschreckte. Als ihr Blick auf mich fiel, lächelte sie. »Das heißt, nicht nur du meinst, dass da was faul war, sondern der Kommissar auch.«
»Langsam, langsam. Ich habe mich letzten Endes auf mein Gefühl verlassen müssen – und Hantzsche konnte ich so weit zum Zweifeln bringen, dass er lieber sichergehen wollte.«
Ich hörte ihm an, wie wenig diese Situation ihm behagte. » Du sollst so schnell wie möglich zu ihm kommen und eine Aussage machen.«
»Natürlich. Aber was hast du denn herausgefunden? Wann ist die Obduktion? Und wann gibt es Ergebnisse?«
»Kirsten, später, okay? Ich muss weg.«
»Zum Abendessen, heute? Ich lad dich ein.«
Dale begann zu lachen. »Da sag ich nicht nein, wenn Andreas dich schon wieder allein lässt.«
Offenbar hatte er die Zeitung noch nicht gelesen.
8 . KAPITEL
»Ganz große Vorsicht, kann ich Ihnen nur raten.« Der ›Zeit‹-Redakteur sächselte, was mich ziemlich irritierte. »Es ist ja so: Selbst wenn die Kripo jetzt einen oder zwei der Nazis dingfest macht, da stecken so viele dahinter.«
Ich nickte. Als mir bewusst wurde, dass Michael Jansen das in Hamburg nicht sehen konnte, brummte ich etwas Zustimmendes.
»Ja, die Großaufnahme, das ist einer der Rädelsführer«, sagte er. Ich hatte ihm, während wir sprachen, Andys Fotos geschickt. »Lässt sich gerne ›Duce‹ nennen – man hält ja auch die Italiener hoch in Ehren.«
Er erzählte, dass er so nah an den ›Sturmtrupp‹ herangekommen war, indem er gemeinsam mit einem Fotografen undercover gearbeitet hatte.
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