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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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spielen, Marihuana zu rauchen und damit zu prahlen, was sie an jenem Tag alles geschafft hatten.
    »Wir haben heute drei Dörfer niedergebrannt«, lachte ein
    dünner Mann, der offenbar noch mehr Spaß hatte als die anderen.

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    Ein Rebell, der einzige in voller Armeemontur, pflichtete ihm bei. »Ja, drei ist beeindruckend, und das in nur wenigen Stunden am Nachmittag.« Er hielt inne und spielte mit seinem G3-Gewehr. »Das Dorf hier abzufackeln hat mir beson-
    ders viel Spaß gemacht. Hier haben wir sie alle erwischt.
    Nicht einer ist uns entkommen. Geil war das. Wir haben den Befehl ausgeführt und alle hingerichtet. Der Kommandant
    wird sich freuen, wenn er kommt.« Er nickte, sah die anderen Rebellen an, die ihr Kartenspiel unterbrochen hatten, um
    ihm zuzuhören. Sie alle pflichteten ihm bei und nickten. Sie klatschten sich gegenseitig in die Hände und spielten weiter.
    »In den anderen beiden Dörfern sind ein paar geflohen«,
    sagte der andere Rebell, der stand. Er hielt inne, rieb sich die Stirn, als würde er darüber nachdenken, wie das hatte passieren können, und fuhr dann fort: »Die haben wahrscheinlich den Rauch aus diesem Dorf hier aufsteigen sehen und gewusst, was passiert war. Wir sollten die Strategie ändern. Das nächste Mal müssen wir die Dörfer gleichzeitig angreifen.«
    Die anderen schenkten ihm nicht so viel Aufmerksamkeit wie dem Rebell in der Armeekluft. Sie spielten weiter Karten, plauderten stundenlang und schossen dann ohne ersichtlichen Grund ein paarmal in die Luft. Einer aus meiner Gruppe bewegte sich, und die getrockneten Kaffeeblätter machten ein Geräusch. Die Rebellen hörten auf zu spielen und rannten in verschiedene Richtungen in Deckung. Zwei kamen auf uns
    zu, zielten mit ihren Gewehren. Sie liefen schnell und gingen in die Hocke. Als hätten wir es geplant, standen wir alle gleichzeitig auf und rannten los. Schüsse verfolgten uns aus der Kaffeeplantage hinaus und in den Wald hinein. Gasemu
    war vorne, und er wusste, wohin er wollte. Wir alle folgten ihm.
    Als wir den Waldrand erreichten, machte Gasemu halt
    und wartete, bis wir ihn eingeholt hatten. »Folgt dem Pfad da«, sagte er uns. Als ich bei ihm angekommen war, versuchte er mich anzulächeln. Ich weiß nicht warum, aber das machte mich noch wütender. Ich rannte an ihm vorbei und folgte
    dem schmalen Pfad, auf dem Gras gewachsen war. Ich befand mich hinter Alhaji, der die Büsche durchpflügte wie ein

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    Schwimmer, der an die Oberfläche will, um Luft zu holen.
    Büsche peitschten auf mich ein, aber ich blieb nicht stehen.
    Die Schüsse hinter uns wurden wieder lauter. Wir rannten
    stundenlang, immer tiefer in den Wald hinein. Der Weg war zu Ende, doch wir rannten, bis der Himmel die Sonne ver-schluckte und den Mond gebar. Noch immer flogen Kugeln
    hinter uns her, doch jetzt konnte man sie am Rot erkennen, wenn sie die Büsche durchstachen. Der Mond verschwand
    und nahm die Sterne mit, brachte den Himmel zum Weinen.
    Seine Tränen retteten uns vor den roten Kugeln.
    Wir verbrachten die Nacht schwer atmend unter den re-
    gennassen Büschen. Die Jäger hatten aufgegeben. Gasemu
    fing an zu weinen wie ein Kind. Wenn so etwas passierte,
    jagte mir das immer Angst ein. In jüngeren Jahren hatte ich gelernt, dass erwachsene Männer nur weinen, wenn ihnen gar nichts anderes mehr bleibt. Gasemu wälzte sich auf dem Boden vor Schmerzen. Als wir schließlich den Mut gefunden
    hatten, ihn aufzuheben, erkannten wir, weshalb er weinte. Er war in der Nacht, als wir davongerannt waren, von einer Kugel getroffen worden. Sein rechtes Bein blutete und war angeschwollen. Er hielt sich die Seite und wollte die Hand nicht wegnehmen. Alhaji zog Gasemus Hand weg: Er blutete auch
    an dieser Seite. Es war, als hätte seine Hand das Blut gestoppt.
    Jetzt strömte es aus ihm heraus wie Wasser, das über die Ufer trat. Er fing an zu fluchen. Alhaji bat mich, das Blut zu stoppen, indem ich meine Hand auf Gasemus Seite legte. Das tat ich, aber sein Blut lief mir zwischen den Fingern hindurch. Er sah mich an, seine Augen sanken traurig immer tiefer in ihre Höhlen. Er schaffte es, seine schwache rechte Hand zu heben und mich am Handgelenk der Hand zu fassen, die ich in seine Seite presste. Er schluchzte nicht mehr, obwohl ihm immer noch Tränen aus den Augen liefen, doch sie rannen nicht so schnell wie sein Blut. Musa konnte den Anblick des Bluts
    nicht mehr ertragen. Er fiel in Ohnmacht. Alhaji und ich zogen Gasemu das Hemd aus und

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