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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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letzte Mahlzeit gewesen sein oder beantwortet ihr seine Frage?«, drohte ich den anderen Jungen.
    »Wir kommen aus dem Kono-Distrikt«, sagte der Junge
    mit dem Bajonett.
    »Ah, dem Diamantengebiet!«, sagte Alhaji. Ich hielt immer noch die Handgranate. »Habt ihr in der Armee oder auf der Seite der Rebellen gekämpft?«, fragte ich ernst.
    »Seh’ ich vielleicht aus wie ein Rebell?«, fragte er. »Ich hab für die Armee gekämpft. Die Rebellen haben mein Dorf
    niedergebrannt und meine Eltern getötet, glaubst du etwa, ich würde zu denen gehören?«
    »Also haben wir im Krieg alle auf derselben Seite ge-
    kämpft«, sagte Alhaji. Wir setzten uns wieder, funkelten uns aber weiterhin grimmig an. Als wir erfuhren, dass wir alle in unterschiedlichen Teilen des Landes für die sogenannte Armee gekämpft hatten, beruhigten wir uns und unterhielten
    uns darüber, von welchen Stützpunkten wir kamen. Keiner
    von uns hatte je von der Einheit, dem Stützpunkt oder den für die Einheiten verantwortlichen Lieutenants gehört. Ich erklärte den anderen Jungen, dass wir nur wenige Minuten
    vor ihnen angekommen waren. Sie erzählten, dass auch sie
    zufällig ausgewählt und von ihrem Kommandanten aufgefor-
    dert worden waren, den Männern zu folgen, die ihren Stützpunkt aufgesucht hatten. Keiner von uns wusste, weshalb uns 153
    unsere Kommandanten hatten gehen lassen. Wir waren aus-
    gezeichnete Kämpfer, und wir waren bereit gewesen, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Einer der Jungen erzählte, er glaube, die Ausländer hätten unseren Kommandanten Geld im
    Austausch für uns gegeben. Niemand sagte etwas darauf. Während wir uns unterhielten, hielt ich immer noch die Granate in der Hand. Manchmal drehte ich mich während der Unterhaltung zu dem Mann um, der uns in die Küche geführt hatte. Er saß zitternd am Ende des Tisches. Schweiß stand auf seiner Stirn. »Wissen Sie, wieso uns unsere Kommandanten an euch feige Zivilisten übergeben haben?«, fragte ich den Mann und zielte mit der Handgranate auf ihn. Er steckte den Kopf unter den Tisch, als hätte ich die Granate wirklich auf ihn werfen wollen. Er war zu nervös, um zu antworten.
    »Das ist doch nur ein feiger Zivilist, komm, wir fragen die anderen Jungs«, schlug der Junge vor, der sein Bajonett gezogen hatte. Sein Name war Mambu. Später wurden wir
    Freunde. Wir ließen den Mann, der noch immer unter dem
    Küchentisch kauerte, allein zurück und gingen zur Veranda.
    Als wir die Stufen hochstiegen, sahen wir die drei MPs, die am Eingang des Geländes saßen, sich unterhielten und uns gar nicht beachteten. Die beiden Ausländer waren weg. Wir liefen zu den Jungen, die still auf der Veranda saßen.
    »Wisst ihr, wieso euch eure Kommandanten an die Zivilis-
    ten übergeben haben?«, fragte Alhaji. Statt einer Antwort standen die Jungs auf, wandten ihm ihre wütenden Gesichter zu und starrten ihn schweigend an.
    »Seid ihr taub?«, fuhr Alhaji sie an. Er drehte sich zu mir um. »Die wissen auch nichts.«
    »Wir wollen in Ruhe gelassen werden«, sagte einer der
    Jungen mit tiefer Stimme. »Und wir beantworten keine Fra-
    gen von Zivilisten.«
    »Wir sind keine Zivilisten«, sagte Mambu wütend und
    ging auf den Jungen zu. »Wenn hier einer Zivilist ist, dann du. Ihr tragt Zivilkleidung. Welcher Armeesoldat würde
    wohl Zivilkleidung tragen? Haben euch die feigen Zivilisten, die euch hergebracht haben, in die Klamotten gesteckt? Du musst ein schöner Schlappschwanz von einem Soldaten sein.«

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    »Wir haben für die RUF gekämpft, die Armee ist der
    Feind. Wir haben für die Freiheit gekämpft, die Armee hat meine Familie umgebracht und mein Dorf zerstört. Armee-schweine mach ich kalt, sobald ich die Gelegenheit dazu ha-be.« Der Junge riss sich sein Hemd vom Leib, um gegen
    Mambu zu kämpfen; auf seinem Arm prangte die Tätowie-
    rung der RUF.
    »Das sind Rebellen«, schrie Mambu, und bevor er nach
    seinem Bajonett greifen konnte, schlug ihm der Junge ins
    Gesicht. Er fiel um, und als er wieder aufstand, blutete seine Nase. Die Rebellenjungen zogen die wenigen Bajonette, die sie hatten, und bewegten sich auf uns zu. Da war er wieder, der Krieg. Vielleicht hatten die naiven Ausländer geglaubt, unser Hass würde schwinden, wenn sie uns aus dem Krieg
    holten. Es war ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass ein Ortswechsel nicht automatisch normale Kinder aus uns machen würde. Wir waren gefährlich und darauf abgerichtet zu töten. Mit den Rehabilitierungsmaßnahmen war

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