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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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versiegten. Im Gebüsch hinter den Mangobäumen wurde es still. Das Dorf, so schien es,
    gehörte uns.
    Ich stopfte mir gerade Munition aus einer Hütte in den
    Rucksack, als es erneut Kugeln auf das Dorf regnete. Ich
    wurde dreimal in das linke Schienbein getroffen. Die ersten beiden Kugeln waren glatte Durchschüsse, die letzte aber
    blieb stecken. Ich konnte nicht mehr gehen, also legte ich mich auf den Boden und feuerte ein ganzes Magazin auf den Busch ab, aus dem die Kugeln, die mich getroffen hatten,
    gekommen waren. Ich erinnere mich, dass ich ein Kribbeln

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    im Rücken spürte, aber ich war zu sehr auf Drogen, als dass ich den Schmerz hätte fühlen können, obwohl mein Bein
    inzwischen schon anschwoll. Der Arzt meiner Einheit zog
    mich in eines der Häuser und versuchte, die Kugel zu entfernen. Jedes Mal, wenn er die Hände von der Wunde nahm,
    sah ich mein Blut überall an seinen Fingern. Er wischte mir ständig mit einem durchnässten Tuch über die Stirn. Meine Augen wurden schwer, und ich verlor das Bewusstsein.
    Ich weiß nicht, was passierte, aber als ich am nächsten Tag aufwachte, fühlte es sich an, als hätte jemand Nägel in meine Knochen geschlagen und meine Adern durchtrennt. Der
    Schmerz war so stark, dass ich nicht einmal laut weinen
    konnte; die Tränen rannen mir einfach so aus den Augen.
    Die Decke des strohgedeckten Hauses über meinem Bett ver-
    schwamm. Meine Augen versuchten, sich an die Umgebung
    zu gewöhnen. Die Schüsse hatten aufgehört und im Dorf war es still, also nahm ich an, die Angreifer seien erfolgreich vertrieben worden. Einen Moment lang fühlte ich mich erleichtert, doch der Schmerz in meinem Bein kehrte zurück und
    die Adern meines gesamten Körpers zogen sich zusammen.
    Ich presste die Lippen aufeinander, schloss die schweren Lider und hielt mich an den Kanten des Holzbettes fest. Ich hörte die Schritte von Leuten, die das Haus betraten. Sie standen an meinem Bett. Kaum, dass sie zu sprechen anfingen, erkannte ich ihre Stimmen.
    »Der Junge leidet, und wir haben hier keine Medikamen-
    te, um seine Schmerzen zu lindern. Die haben wir im ehemaligen Stützpunkt gelassen.«
    Der Doktor seufzte und fuhr fort. »Wenn jemand die Me-
    dikamente holt, dauert das sechs Tage. Bis dahin ist der Junge an den Schmerzen gestorben.«
    »Dann muss er mit zum ehemaligen Stützpunkt. Wir brau-
    chen sowieso die Vorräte von dort. Tun Sie, was Sie können, damit er überlebt«, sagte der Lieutenant und ging hinaus.
    »Ja, Sir«, sagte der Arzt und seufzte noch tiefer. Ich öffnete langsam die Augen, dieses Mal konnte ich klar sehen. Ich
    erkannte sein verschwitztes Gesicht und versuchte, zu lächeln.
    Nachdem ich gehört hatte, was sie gesagt hatten, schwor ich 182
    mir, noch härter zu kämpfen und alles für meine Einheit zu tun, sobald mein Fuß geheilt sein würde.
    »Wir holen Hilfe. Sei stark, junger Mann!«, sagte der Arzt beruhigend, setzte sich zu mir ans Bett und untersuchte mein Bein.
    »Ja, Sir«, sagte ich und versuchte dabei, die Hand zu heben und zu salutieren, aber er drückte sie sachte nieder.
    Zwei Soldaten kamen ins Haus und erzählten dem Dok-
    tor, der Lieutenant habe sie geschickt, um mich zum ehemaligen Stützpunkt zu bringen. Sie hoben mich aus dem Bett, legten mich in eine Hängematte und trugen mich nach drau-
    ßen. Die Sonne blendete mich zuerst, und als sie mich aus dem Dorf heraustrugen, drehten sich die Baumwipfel über
    mir. Der Marsch kam mir vor, als würde er einen Monat
    dauern. Ich wurde viele Male bewusstlos. Jedes Mal, wenn
    ich die Augen wieder öffnete, kam es mir vor, als verlören sich die Stimmen meiner Träger in der Ferne.
    Endlich erreichten wir den Stützpunkt, und der Doktor
    machte sich an die Arbeit. Mir wurde etwas injiziert. Ich hatte keine Ahnung, dass wir im Stützpunkt Spritzen hatten,
    aber in meinem Zustand konnte ich nicht fragen, was vor
    sich ging. Ich verlangte vehement nach Koks und bekam es.
    Der Doktor aber begann mit der Operation, noch bevor die
    Drogen zu wirken begannen. Die anderen Soldaten hielten
    meine Hand und stopften mir ein Tuch in den Mund. Der
    Doktor steckte eine krumme Schere in die Wunde und fisch-
    te nach der Kugel. Ich konnte die Kante des Metalls in mir spüren. Schmerz durchfuhr meinen ganzen Körper. Meine
    Knochen fühlten sich morsch an. Gerade als ich dachte, dass ich es nicht mehr ertragen könnte, zog der Arzt plötzlich die Kugel heraus. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine Wirbelsäule

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