Rueckkehr ins Leben
mit Graben fertig waren, fesselten wir sie und durchstachen ihnen die Beine mit Bajonetten. Einige von ihnen schrien und wir
lachten und traten sie, damit sie still waren. Dann rollten wir jeden Mann in sein Loch und bedeckten ihn mit dem nassen
Matsch. Sie hatten Angst und versuchten aufzustehen und aus dem Loch zu klettern, während wir zügig Erde auf sie schütteten, doch als sie die Mündungen unserer Gewehre auf sich gerichtet sahen, legten sie sich hin und schauten uns mit aus-druckslosen, traurigen Augen an. Selbst unter der Erde kämpften sie noch mit aller Macht. Ich hörte sie von unten stöhnen 174
und nach Luft ringen. Allmählich gaben sie es auf, und wir gingen weg. »Immerhin wurden sie beerdigt«, sagte einer der Soldaten, und wir alle lachten. Als wir wieder zum Feuer
zurückgingen, um uns aufzuwärmen, lächelte ich ein wenig.
Am Feuer merkte ich, dass ich Risswunden an den Ar-
men, am Rücken und am Fuß hatte. Alhaji half mir, sie mit Verband und den Medikamenten, die die Rebellen zurückgelassen hatten, zu versorgen. Es stellte sich heraus, dass die Wunden von Kugeln stammten, die mich gestreift und mir
das Fleisch zerfetzt hatten. Ich war zu sehr auf Drogen und zu stark traumatisiert, um mir darüber klar zu werden, was gerade geschehen war. Ich lachte, als mir Alhaji vorrechnete, wie viele Streifschüsse ich am Körper hatte.
Am Morgen spürte ich, wie einer der Mitarbeiter eine Decke um mich legte und sagte: »Das ist nicht deine Schuld, weißt du. Wirklich nicht. Du schaffst das schon, ganz bestimmt.«
Dann zog er mich hoch und führte mich ins Haus.
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Ich war nicht mehr auf der Krankenstation gewesen, seit ich einige Monate zuvor davongegangen war, als sich die
Schwester mit dem Weichling von Stadtsoldat unterhalten
hatte – und auch sie hatte nicht mehr versucht, mich zu über-reden, zur Kontrolle zu kommen. Eines Nachmittags aber, als wir Tischtennis spielten und die komplette Mitarbeiterbeleg-schaft da war, merkte ich, wie mir jemand auf die Schulter klopfte. Es war die Schwester. Sie trug eine weiße Uniform und eine weiße Haube. Es war das erste Mal, dass ich sie direkt ansah. Ihre weißen Zähne bildeten einen schönen Kont-rast zu ihrer dunklen, glänzenden Haut, und wenn sie lächelte, wurde ihr Gesicht nicht nur noch schöner, sondern glühte auch vor Charme. Sie war groß und hatte offene braune Augen, die freundlich und einladend wirkten. Sie gab mir eine Flasche Coca-Cola. »Komm mich besuchen, jederzeit, wann
immer du Lust hast«, sagte sie und ging lächelnd weg. Die Coca-Cola war kalt, und ich erschrak. Ich verließ mit Alhaji den Saal, und wir gingen nach draußen, setzten uns auf einen Felsen und tranken die Cola.
»Die mag dich«, zog mich Alhaji auf. Ich sagte nichts.
»Und, gefällt sie dir etwa nicht?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Sie ist älter und sie ist unsere Krankenschwester«, sagte ich.
»Du meinst, du hast Schiss vor Frauen«, erwiderte Alhaji
nickend.
»Ich glaube nicht, dass sie mich mag, so wie du das
denkst.« Ich sah Alhaji an, aber er lachte mich aus.
Als wir die Cola getrunken hatten, ging Alhaji weg und
ich beschloss, zur Krankenstation zu gehen. Als ich zum Ein-176
gang kam, spähte ich hinein und sah die Schwester telefonieren. Sie machte mir ein Zeichen, hereinzukommen und mich
zu setzen. Sie lächelte, und ich erkannte, dass das Lächeln mir galt und nicht dem Telefongespräch. Ich sah mich um und
entdeckte eine Tabelle an der Wand mit allen Namen der
Jungen im Center. In den Kästchen neben den meisten Na-
men befand sich ein Haken, der anzeigte, dass sie mindestens eine Sitzung wahrgenommen hatten. Die Kästchen neben
meinem Namen waren leer. Als sie den Hörer aufgelegt hat-
te, nahm die Schwester die Tabelle herunter und legte sie in die Schublade. Sie zog ihren Stuhl näher an mich heran, und ich dachte, sie würde mir eine Frage über den Krieg stellen, aber stattdessen fragte sie ruhig: »Wie heißt du eigentlich?«
Ich war überrascht, denn ich war mir sicher, dass sie meinen Namen kannte. »Sie wissen doch, wie ich heiße«, sagte ich wütend.
»Vielleicht schon, aber ich möchte, dass du’s mir sagst«, beharrte sie und riss die Augen auf.
»Okay, okay, Ishmael«, sagte ich.
»Schöner Name.« Sie nickte und fuhr fort. »Mein Name
ist Esther und wir sollten Freunde werden.«
»Sind Sie sicher, dass Sie mit mir befreundet sein wollen?«, fragte ich. Sie dachte kurz nach und sagte:
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