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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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seine Gedanken nur noch schwerer gemacht.
    » Ich wusste es ... Syl Ra Van vergisst sein Volk nicht. «
    Er wälzte sich auf schweißnassen Laken hin und her und versuchte die Bilder aus seinem Bewusstsein zu verdrängen. Während er geschlafen hatte, waren Tausende weiterer Lebewesen in Qualen gestorben. Bis die Sonne aufging, würden es noch mal so viele sein. Immer wieder sah er die bronzene Maske vor sich, mit Augen schwärzer als das Weltall.
    » Sie haben Ihre Befehle, Admiral. Wir erwarten, dass Sie gehorchen. «
    Telios glaubte an keine Heiligen Schriften; es gab keine höhere Macht, an die er sich wenden konnte, die ihm sagte, was zu tun sei.
    Außer seinem Gewissen.
    Er wusste, dass es nur einen einzigen Weg aus der Krise gab. Doch dieser Weg erschreckte ihn.
    Als er erkannte, dass der Kampf um Schlaf und Vergessen vergebens war, stemmte er sich aus dem Bett. Er zog sich seine Hose über und wanderte barfuss in das angrenzende Quartier. Die Lichtkugel hinter ihm erlosch – und andere aktivierten sich vor ihm. Er befahl ihnen, sich auf ein warmes Orange zu dämpfen, das auf den mit Kirschholz verkleideten Wänden schimmerte.
    »Musik«, sagte Telios mit trockener Kehle. »Berevian. Neunte Symphonie.«
    Der Musikkristall gehorchte und erfüllte den Raum mit hauchzarten Klängen, so leicht wie die Erinnerung an den Frühling. Aber die Melodie, die ihn bislang immer getröstet hatte, erschien ihm nun so bedeutungslos wie das Zirpen von Grillen.
    Sein Glas und die zwei Weinflaschen standen noch immer auf dem niedrigen Tisch, neben dem Diwan, zusammen mit den Berichten, die nach dem Aufbruch der Dragulia vom Himmelssanktum in Richtung Harassadan eingetroffen waren.
    Die Nachricht über die Vernichtung Xanatas und den Ausbruch des Dunklen Äthers hatte sich wie ein Lauffeuer über den ganzen Planeten verbreitet. Syl Ra Van ließ über die öffentlichen Geisterkuben verkünden, dass die Situation unter Kontrolle sei; und während die meisten Bürger es wie üblich vorzogen, nur das zu glauben, was sie glauben wollten, ließen sich andere nicht so einfach belügen.
    Überall auf Kenlyn hatte es Demonstrationen gegeben, so heftig wie nie. In Teriam war der Verkehr auf dem Nexus-Boulevard völlig zusammengebrochen: die Unruhen hatten sich quer durch die Schwebende Stadt bis zum Ringhafen ausgebreitet. Zweihundert Verletzte. Einunddreißig Tote, die meisten davon Bürger. Zwei Ordensmitglieder waren an Laternenpfählen aufgeknüpft worden.
    In vielen Städten, von Kaswor, über On-Ta-Na bis ins ferne Siradad, hatten die Bürger ihre Arbeit in den Manufakturen und Fabriken niedergelegt. In Olvan hatte ein Mob von dreihundert Leuten die Hauptniederlassung der Friedenswächter angegriffen und in Brand gesetzt, während in Xarul ein Waffenlager des Ordens geplündert worden war; die halbe Stadt hatte die Residenz des Administrators belagert. Der Aufstand konnte erst drei Stunden später niedergekämpft werden, nachdem ein Schiff des Ordens neue Truppen abgesetzt hatte.
    »Syl Ra Van tritt den Pakt von Teriam mit Füßen!«, schrie man überall. »Syl Ra Van lässt sein Volk sterben!«
    Als Quai-Lor ihm vorhin die Berichte überreicht hatte, hatte Telios in die Gesichter der Brückenbesatzung geblickt, hatte ihre Sorgen und Fragen erkannt und gewusst, dass sie eine Antwort brauchten. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, auch nur irgendetwas zu sagen, und die Worte hatten sogar in seinen eigenen Ohren hohl geklungen: »Dies ist eine schwere Zeit. Aber wir müssen uns an den Eid erinnern, den wir geschworen haben. Der Orden muss zusammenhalten, damit wir diese Krise gemeinsam meistern.«
    Er hätte gerne etwas anderes gesagt als Durchhalteparolen. Seine Leute hatten verstehend genickt. Überzeugt hatte er keinen. Wie auch?
    Aber was hätte er ihnen sagen sollen? Dass der Orden von einer kaltblütigen Maschine gelenkt wurde, die sich aus gutem Grund so sehr wie niemand anders auf Kenlyn vor dem Kult fürchtete – ihrer eigenen Schöpfung, die nun nach dreihundert Jahren wiedergeboren war, um Syl Ra Van zu vernichten?
    »Wir werden das durchstehen«, hatte Telios seinen Leuten versprochen. Anschließend hatte er die Brücke seinem Ersten Offizier überlassen, war in sein Quartier gegangen, hatte den Weinschrank geöffnet und die erste Flasche entkorkt.
    Es war ein guter Wein. Teurer Wein vor allem; ein edler Tropfen aus der Habara-Winzerei von Kiasoll, zwanzig Jahre gereift. Eigentlich hatte er ihn für besondere Anlässe

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