Rückkehr nach Kenlyn
davon gehört, Andar. Genauso wie von gewissen anderen Aktivitäten Ihrerseits.«
»Aha. Und welche ›Aktivitäten‹ wären das?
»Zum Beispiel die Gründung und Leitung des ominösen ›Sonderausschusses Neunzehn zur Stärkung der ordensinternen Moral‹.«
Telios war nicht überrascht. Er hatte nie daran geglaubt, dass er die Tätigkeiten des Ausschusses lange geheim halten konnte. Dennoch war sie die erste, die ihn darauf direkt ansprach. »Ich verstehe«, sagte er trocken.
»Die Bezeichnung ist natürlich so vage, dass sich niemand etwas Genaues unter diesem Verein vorstellen kann. Aber es kursieren Gerüchte.«
Telios imitierte ein Lächeln. »Seit wann geben Sie etwas auf Gerüchte, Kaleen?«
Die Yadi zuckte mit den Achseln. »Ich habe Ohren, Andar. Und es schadet nichts, sie zu benutzen.« Sie sprang vom Fensterbrett ab und flog auf ihn zu. Sie blieb so dicht vor seinen Augen in der Luft hängen, dass Telios fast gezwungen war, zu schielen.
»Man munkelt von nächtlichen Verhören und Wanzen, die in den Mannschaftsquartieren versteckt werden. Angeblich existieren geheime Akten über jedes einzelne Mitglied des Ordens. Akten, zu denen niemand außer dem Gouverneur und ein paar handverlesenen Offizieren Zugriff hat. Man redet von Behandlungen mit Wahrheitsdrogen und Ordensmitgliedern, die plötzlich spurlos verschwinden und sich bei ihrem Wiederauftauchen an nichts erinnern können. Es heißt, der Gouverneur persönlich habe Sie als Hohen Kommissar bevollmächtigt, all diese Aktionen durchzuführen.«
Nun war Telios derjenige, der mit den Achseln zuckte. »Wie immer ist die Gerüchteküche sehr kreativ.«
»Bitte Andar, lassen wir das Theater. Ich weiß von den wahren Aktivitäten des Sonderausschusses – und ich weiß auch, dass unsere alten Feinde wieder aktiv sind und dass sich ihre Leute im Orden eingenistet haben, wie Ratten im Gemäuer. Zum ersten Mal seit langer Zeit muss man sich wieder fragen, auf welcher Seite die eigenen Ordensbrüder stehen.« Ihre Kornblumenaugen sahen ihn ernst an.
Telios wich ihrem Blick nicht aus. Er wusste nicht, wie sicher dieser Korridor war und wer ihnen möglicherweise zuhörte. Also wählte er jedes seiner Worte mit Bedacht. »Ihnen ist klar, dass, wenn es so wäre, dieser Zustand nicht anhalten darf, Kaleen.«
Sie nickte. »Ebenso ist mir klar, dass Sie tun, was getan werden muss, Andar. Und dass Sie sich dadurch nicht nur Freunde machen.«
»Dafür bin ich bekannt«, antwortete er mit ernster Miene und stellte sich eine Frage, die noch vor einigen Monaten undenkbar gewesen wäre: Kann ich ihr trauen?
Seine Leute hatten die Admiralin mehrfach überprüft. Ihre Kontakte, ihre Familie, ihre Freunde. Sie hatten keine verdächtigen Verbindungen gefunden, nichts, was darauf hinwies, dass sie den Orden verraten hatte oder plante, dies zu tun. Aber das hatte er auch von so vielen anderen geglaubt und sich getäuscht. Er dachte an seine ehemalige Stellvertreterin Shiaar und das Sonnenauge, das sie ihm in den Rücken gedrückt hatte.
Kaleen schwang sich zurück und gab dem Admiral mehr Abstand. Er behielt sie genau im Auge. »Wie man hört, ist Varkonn Monaro mit von der Partie.« Sie schien den Namen nicht gern auszusprechen. »Wenn ich mich recht entsinne, hat er vorher für den Nachrichtendienst gearbeitet. Ein Mann mit Ambitionen. Und angeblich dem Orden gegenüber loyaler als der Gouverneur selbst.«
Telios wollte etwas erwidern, aber Kaleen sprach ungerührt weiter.
»Ich weiß, Sie fragen sich gerade, wer aus Ihrem kleinen Ausschuss mir das verraten hat. Aber ich kann Sie beruhigen: Ich habe eigene Nachforschungen angestellt und mir das Meiste selbst zusammengereimt.«
»Ich verstehe«, sagte Telios, ohne beruhigt zu sein.
»Was ich Ihnen mit all dem sagen will, Andar, ist dies: Ich stehe auf Ihrer Seite. Ich tue, was ich kann, um Ihr Vorhaben zu unterstützen. Der Kult muss zerschlagen werden, je früher desto besser. Aber Sie müssen aufpassen, dass der Schaden, den Sie bei Ihrer Jagd anrichten, nicht größer ist, als der, den unsere Feinde verursachen.«
Telios deutete eine knappe Verbeugung an. »Ich danke Ihnen für diese Warnung, Kaleen. Nun – wollen wir in den Saal zurückkehren?«
»Nach Ihnen, Admiral.«
Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass es noch einen anderen Feind in unseren Reihen gibt , dachte Telios, als sie den Korridor verließen. Einen, der uns und die ganze Welt betrogen hat. Er sah aus dem Fenster. Über den Dächern der
Weitere Kostenlose Bücher