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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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hatte.
    Sie setzte sich auf und strich sich die Haare hinter die Ohren. Ihre Zunge schmeckte, als hätte sie an einem verstaubten Teppich gelutscht. »Was ist mit unserem Gast?«
    Nelen hatte es sich mittlerweile auf dem Bettrand bequem gemacht und ließ die Beine baumeln. »Keru war die ganze Nacht auf der Brücke. Er sagt, sie hat ihr Quartier nicht verlassen, außer einmal, um aufs Klo zu gehen. Und wenn Keru das sagt, kann man das wohl glauben. Er hört ja sogar Flöhe furzen.«
    Endriel blieb argwöhnisch. »Sie war also ganz brav.«
    » Verdächtig brav sogar. Sie hat dir tatsächlich mit dem Passwort geholfen?«
    »Hat sie.«
    »Dann hat zumindest dieser Plan funktioniert. Man mag es kaum glauben.« Nelen blickte über ihre Schulter.»Und – wie ist sie so?«
    »Es fällt mir zumindest schwer, sie zu hassen.« Endriel massierte ihre müden Augenlider. »Wir haben vieles gemeinsam. Das heißt natürlich, wenn sie mir nicht nur was vorgelogen hat.«
    Nelen schwang sich in die Luft. »Wie auch immer, du solltest dich langsam mal anziehen. Bis jetzt sind wir ganz gut durchgekommen, aber wahrscheinlich fliegt uns früher oder später eine Weißmantel-Patrouille über den Weg. Und ich denke, es ist besser, wenn unser Kapitän ihnen nicht halbnackt die Tür aufmacht.«
    Endriel kämpfte sich seufzend aus dem Bett. »Ich mach dir einen Vorschlag: Du bist für einen Tag Kapitän, und ich leg mich wieder hin.«
    »Jetzt mal ehrlich«, Nelen grinste, »ich bin doch nicht bescheuert!«
    Fertig angezogen marschierte Endriel ins Bad. Sie brachte die Morgentoilette hinter sich, dann klatschte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht, was sie jedoch auch nicht viel wacher machte. Die junge Frau, die ihr im Spiegel entgegensah, wirkte unsagbar erschöpft, mit dunklen Ringen unter den Augen. Endriel starrte ihre Reflektion an und murmelte: »Denk nach, Mädchen, denk nach! Du hast es einmal gehabt und wirst es wieder haben. Du musst nur dein Hirn anstrengen!«
    Sie wusste nicht mehr, wann genau sie gestern Nacht davon abgekommen war, die Worte aus Liyens Geschichte für die Armschiene zu wiederholen und ihr stattdessen einfach nur zugehört hatte; es musste irgendwo an dem Punkt ihrer Erzählung herum gewesen sein, der von ihrer Flucht von Zuhause handelte – jenem Teil, den Endriel besser nachfühlen konnte als Liyen vielleicht glaubte.
    Sie versuchte sich zu erinnern: Die Weinenden Felsen; das Tal der – wie hieß es noch? – der Gefallenen Sterne; die Säulen von – Dingsbums – Halaan ...
    » Ich hab sie alle geliebt «, hatte Liyen gesagt, » die Dichter, die Lügner, die Heiligen, die Sünder, die Anarchisten und die wahren Gläubigen ... «
    Das Rumoren in ihrem Magen zerfetzte Endriels Gedankengang. Sie hatte Hunger wie drei Wolfsrudel. Hoffentlich ließ es sich mit vollem Bauch besser nachdenken.
    »Guten Morgen, Kapitän Naguun!«
    Als sie das Gästequartier betrat, war Liyen schon wach und begrüßte sie fröhlich. Offenbar hatte sie etwas mehr Schlaf gefunden und saß nun ausgeruht und barfüßig auf dem mit Seide bezogenen Diwan, auf dem Schoß ein aufgeschlagenes Buch: ihre zerlesene Ausgabe von Barls »Antagonie zwischen Politik und Moral«. Frisch gekämmt schimmerte ihr Haar wie poliertes Kupfer.
    »Morgen«, murmelte Endriel. Ihr Misstrauen war noch zu groß für besondere Herzlichkeit. Sie sah sich um: Normalerweise schlief Miko in diesem Raum, vorausgesetzt, es befanden sich gerade keine zahlenden Passagiere an Bord. Endriel hatte ihm angeboten, weiter hier drin zu bleiben – Liyen hätte sich stattdessen im Unteren Deck einquartieren können.
    »Aber Kapitän«, hatte er gesagt und sich verlegen am Hinterkopf gekratzt, »meinen Sie, das ist eine gute Idee, sie in die Nähe der Motoren zu lassen? Hier oben haben wir sie doch viel besser im Auge.«
    Endriel hatte dem nicht viel entgegen halten können, also hatte Miko seine Sachen gepackt und war zwei Decks tiefer gewandert.
    »Bist du schon lange wach?«
    »Knapp eine Stunde«, sagte Liyen unbekümmert. »Leider hab ich ein Gehör wie ein Skria, daher krieg ich auf Drachenschiffen normalerweise kein Auge zu. Aber in diesem hier hab ich geschlafen wie ein Stein.«
    »Ist ja auch das beste Drachenschiff des Universums.«
    »Anscheinend.« Liyen grinste.
    »Gutes Buch?« Endriel versuchte, so desinteressiert wie möglich zu klingen.
    Liyen verzog etwas unschlüssig das Gesicht. »Hm. Hat ein paar interessante Ansätze. Nur leider benutzt mir der Autor das Wort

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