Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
Vom Netzwerk:
›Schicksal‹ ein wenig zu oft, als dass ich es ernst nehmen kann.«
    »Du glaubst also auch nicht an diesen Mist.«
    »Ich glaube, es ist eine bequeme Ausrede für Leute, die sich davor fürchten, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.«
    »Vernünftige Einstellung.«
    »Und – gab es Fortschritte mit der Schiene?«
    Endriel hob das Artefakt und betrachtete ihr verzerrtes Spiegelbild auf dem Silber, während sie ihre Antwort abwägte. »Nein«, log sie schließlich. Es war vielleicht besser, wenn Liyen nichts davon erfuhr, dass sie ihr den entscheidenden Hinweis bereits genannt hatte. Auch wenn Endriel gegen ihren Willen anfing, sie zu mögen, war das Risiko immer noch zu groß. Von jetzt an würde sie es auch allein schaffen. Ganz sicher.
    Liyen zuckte mit den Achseln. »Vielleicht haben wir nachher mehr Glück.« Sie stand auf und zog sich Wollsocken über die Füße. »Ist es möglich, hier ein Frühstück zu kriegen, oder gibt’s für mich nur Wasser und Brot?«
    »Wo denkst du hin?« Endriel lächelte diabolisch. »Für dich gibt’s natürlich nur Wasser.«
    Liyen erwiderte das Lächeln. »Ich liebe Wasser!«
    Auf der Brücke duftete es nach Gewürztee, frischem Obst und warmem Brot. Neben der Konsole stand ein kleiner Klapptisch mit lauter Dingen, die Endriel das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Da erlebte sie die nächste Überraschung des Tages:
    »Guten Morgen, Kapitän!« Miko stand hinter dem Steuer; er strahlte wie ein Sommermorgen – und Keru stand daneben, ohne den geringsten Versuch zu machen, ihn von den Instrumenten fortzuzerren.
    »Sieh nach vorne, Junge!«, schnaubte er, die mächtigen Arme verschränkt.
    Miko wurde rot und gehorchte. »‘tschuldigung!«
    »Ich glaube nicht, was ich da sehe«, sagte Endriel amüsiert. »Bin ich durch die falsche Tür gegangen und in irgendeiner alternativen Realität gelandet?«
    Keru fand das gar nicht komisch. »Ich bin die ganze Nacht durchgeflogen«, erklärte er, »und da du sicherlich unsere Lieferfrist einhalten willst, musste mich irgendwer ablösen.«
    »Und wie macht sich unser Schiffsjunge so am Steuer?«
    »Überraschend gut«, gab der Skria widerwillig zu. »Man könnte meinen, er hätte das schon mal gemacht.«
    Endriel musste sich anstrengen, Miko und ihr kleines Geheimnis nicht zu verraten. »So was nennt man eben Naturtalent.« Sie zwinkerte dem Jungen zu. Er lächelte dankbar.
    Xeah stand mit Nelen auf ihrer Schulter vor dem Brückenglas. »Hallo Endriel«, sagte die alte Heilerin, als sich der Kapitän mit einem Apfel in der Hand zu ihr gesellte. Sie klang matter als sonst.
    »Hallo Xeah. Du scheinst genauso wenig geschlafen zu haben wie ich.«
    »Es gab vieles, das mich wach gehalten hat«, antwortete die Draxyll. »Aber es geht mir gut.« Letzteres sagte sie mit einem Blinzeln ihrer schwarzen Murmelaugen, das Endriel nicht interpretieren konnte. Bevor sie sich darüber wundern konnte, trat Liyen neben sie.
    »Ah«, seufzte sie leise. »Wie ich diesen Anblick vermisst habe!«
    Ein feiner rötlicher Schleier lag über dem fast wolkenlosen Himmel. Vor der Korona erstreckte sich ein Gebirge, kahler als jede Wüste; braune Felsen lagen zum größten Teil unter Sanddünen, die in der Morgensonne rostrot leuchteten.
    Das Niemandsland erhob sich wie eine Beule auf der Planetenkruste Kenlyns; ein auf vier Millionen Quadratkilometer ausgedehntes Plateau, in dem es kein Zeichen von Leben gab: keine Pflanzen, keine Tiere – nichts. Der einzige Hinweis darauf, dass hier draußen einmal etwas anderes außer Stein und Sand existiert hatte, waren die bleichen Gebilde, die da und dort aus den Dünen ragten und von den starken Winden, die vom Großen Meer kamen, abwechselnd verschüttet und wieder freigelegt wurden; dies waren die Gebeine der Drachen, die aus unbekannten Gründen nur hier im Niemandsland gelebt hatten – bis zu ihrem Aussterben.
    Eine stille und verzweifelte Schönheit lag über dem rotbraunen Land. Niemand wusste, ob es den Sha Yang zu anstrengend gewesen war, diesen Teil des Planeten umzuformen, oder ob sie ihn mit Absicht in seinem Urzustand gelassen hatten, als eine Art Andenken an die Vergangenheit.
    Wenn dem so sein sollte, war Endriel ihnen sehr dankbar dafür.
    Bald erkannte sie im Osten das Labyrinth der Nacht, den westlichen Ausläufer des gewaltigen Cañyons, der den passenden Namen »der Schlund« trug und sich wie ein viertausend Kilometer langer Riss am Äquator hinzog, als habe einst ein göttliches Sonnenauge

Weitere Kostenlose Bücher