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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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Mülltonnendeckel auf dem Boden. Ein Priester lief von einem zum anderen, das passende Gebet stets zur Hand. Die Jungen sammelten die Steine auf, die sie vorher weggeworfen hatten. Ein Mädchen schleuderte eine brennende Flasche über die Barrikade. Wir waren nur acht Volunteers, aber das Viertel feierte uns wie eine Befreiungsarmee. Ein paar Straßen weiter stand der Himmel in Flammen. In der Bombay Street brannten Häuser. Als die ersten Gasgranaten fielen, versuchten die Leute, den Qualm zu ersticken. Wasserschüsseln gingen von Hand zu Hand. Plötzlich wurde es helllichter Tag. Das erste Panzerfahrzeug bog um die Ecke und richtete einen weißen Scheinwerfer inunsere Straße. Ein undurchdringlicher Nebel aus dem Chlor der Granaten und dem Rauch der Brandherde. Auch ich kniete, das Gesicht mit einem Lappen geschützt. Ein Mädchen schnitt ein Hemd in Streifen und gab sie den Aufständischen, damit sie sich den Mund bedecken konnten. Ein Junge tauchte hinter mir auf und griff nach unserer Granate. Ich riss sie ihm aus der Hand. Er zuckte die Schultern und rannte weg.
    »Hey, Fianna! Wir evakuieren die Zivilisten!«, schrie Danny.
    Die Scouts bildeten eine klägliche Kette. Kaum mehr als fünfzehn gingen die Straße entlang und baten die Leute, nach Hause zu gehen.
    Danny schoss zwei Mal mit dem Revolver in die Luft.
    »Die IRA befiehlt, dass ihr hier verschwindet!«
    Die IRA befiehlt! Wir übernahmen die Straße. Endlich kämpften wir wieder.
    Ein alter Slogan, schwarz auf eine graue Wand geschmiert, grinste uns von gegenüber an.
    » I. R. A. = I-RAN-AWAY!« – IRA = Auf und davon!
    Schon seit ein paar Wochen flehte uns die Bevölkerung an zu reagieren. Aber wir waren unfähig dazu. Chaotischer und isolierter denn je. Polizei und Loyalisten waren die Herren unserer Straßen. Seit Beginn der Bürgerrechtskampagne wurden wir Katholiken schlecht behandelt. Was wir wollten? Anständige Wohnungen, Arbeit, keine Bürger zweiter Klasse mehr sein. Ein Mann – eine Stimme! Gleichheit mit den Protestanten. Wir hatten nur Transparente aus zerrissenen Leintüchern in unseren bloßen Händen. Doch für die Briten war unser Zorn Rebellion, für die Loyalisten jede Klageein Kriegsschrei. Nie würden sie die Macht teilen. Sie riefen zum Endkampf auf, zur großen Schlacht. Um die Papisten endgültig zu vertreiben, einen nach dem anderen über die Grenze zu jagen. Ihre Viertel hatten sie schon gesäubert. Jetzt griffen sie unsere letzten Bastionen an, unsere Häuser, Schulen, Kirchen.
    »Ein protestantischer Staat für das protestantische Volk!«, hallten ihre Schreie durch die Nacht.
    Überrascht von Dannys Schüssen, wich die Menge zurück. Auch der Panzer. Man hörte den Rückwärtsgang kreischen, dann wurde es wieder dunkel.
    In diesem Moment fiel plötzlich der erste Schuss von gegenüber. Und der zweite.
    »Die schießen ja richtig! Die Cops haben scharfe Munition!«
    Ich nahm die Thompson. Hockte mich hinter die Barrikade. Legte mit zitternden Fingern die Patronen ein, die am Stahl des Magazins abrutschten. Lud so lange nach, bis die Feder blockierte. Zwanzig Kugeln. Ich zählte den Rest in die Tüte: noch neun. Nicht einmal genug, um bis zum Anschlag nachzuladen.
    Sie schossen immer noch. Danny ließ sich schwer neben mich fallen.
    »Da stimmt was nicht! Irgendwas ist da faul!«
    Er drehte seine Trommel und ersetzte die verschossene Munition.
    »Womit schießen die? Das sind doch nicht ihre Knarren! Hör mal! Klingt wie Jagdgewehre!«
    Die Straße war fast leer. Hunderte Einwohner flüchteten zuFuß auf den Straßen nach Ballymurphy und Andytown, um sich in Sicherheit zu bringen. Andere hatten sich zu Hause eingeigelt. Ein óglach der IRA kam geduckt zu uns.
    »Das sind Loyalisten! Die Cops vertreiben die Leute, und diese Schweine rücken nach. Schießen auf uns und fackeln unsere Häuser ab!«
    Vor uns, zwei Straßen weiter, der Knall einer Pistole. Danny legte sich zwischen den Karren und eine Matratze. Schoss zwei Mal. Dann drehte er sich zu uns um. Dirigierte uns mit Handzeichen an unsere Plätze, mich an eine Straßenecke weiter hinten.
    »Warnschüsse! Nicht in die Menge!«, rief Danny.
    Wir standen in einem Hagel aus Steinen, Schrauben, Metallbolzen. Auf der anderen Seite hatten sie Schleudern. Brandflaschen flogen an unsere Fassaden. Ich stand auf. Stützte die Tommy gun an meiner Hüfte ab. Und schoss. Nichts. Ein stählerner Schlag. Ich hatte die Sicherung vergessen. Legte mich auf den Rücken. Stellte den Hebel

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