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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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gerichtet.
    »Aufseher ist Aufseher. Seine Religion ist scheißegal.«
    Ich nickte. Ich musste mich beruhigen. Er hatte recht.
    »Wenn deine Freunde dich komisch anschauen, ist es vorbei, Meehan. Das heißt, du hast zu viel gesagt oder nicht genug. Wenn du böse wirst, statt zu lachen, oder lachst, statt böse zu werden, kommen die Zweifel. Und Zweifel sind tödlich«, hatte Waldner gewarnt.
    Also setzte ich mein Tyrone-Gesicht auf und schimpfte über den lauwarmen Tee.
    »Donnerstags arbeitet er bis elf. Da ist es ruhig in seiner Gegend. Er macht immer dasselbe. Startet, fährt bis zur Clifton-Kreuzung und legt seinen Gurt an, während er auf Grün wartet. Dort könnten wir ihn kriegen«, sagte Terry.
    »Ergreift er keine Vorsichtsmaßnahmen, wechselt er nie den Weg?«
    Der Student lächelte mich an.
    »Nichts. Außer, dass er unter seinen Wagen schaut, tut er nichts.«
    »Nächsten Donnerstag?«, fragte Jim.
    »Je früher, desto besser«, antwortete ich.
    Ich hatte meine Gefühle wieder im Griff. Mickey sah mich an und nickte. Jim beobachtete ihn verstohlen. Ich bemerkte ihre Erleichterung. Der alte Tyrone Meehan war zurück.
    »Wer ist dabei?«, wollte ich wissen.
    »Ich, Terry, drei aus Divis und ein Mädel auf dem Fahrrad, das die Knarren einsammelt«, antwortete Mickey.
    »Jim?«
    O’Leary schüttelte den Kopf.
    »Du kennst mich, Tyrone. Ich kann besser mit Pulver als mit der Pistole.«
    »Was machst du dann hier?«
    Ich hatte wieder meinen Chef-Ton drauf.
    »Die Vorgehensweise stand noch nicht fest. Wir hatten erst überlegt, seinen Wagen zu präparieren, aber da er ihn jeden Morgen untersucht …«
    Ich unterbrach Jim, indem ich die Hand hob. Und stellte mir den rothaarigen Cop und den MI5-Agenten als Zeugen der Szene vor. Es war das erste Mal, dass meine Fantasie sie zu Hilfe rief.
    Mit schneidender Stimme sagte ich: »Mickey? Das nächste Mal regelst du das vorher. Dies hier ist ein Briefing, keine öffentliche Debatte.«
    Mickey nickte. Angekommen. Jim stand auf.
    »Je weniger man weiß …«, sagte er und verließ den Raum.
    Jim O’Leary war Sprengmeister. »Mallory«, wie wir ihn in der Bewegung nannten. Er war Soldat, kein Politiker. Seiner Meinung nach sollte die Partei von den Gewehren befehligtwerden. Er hielt nichts von Flugblättern, Verhandlungen, Kompromissen. »Brits out!« – Briten raus! – war sein Programm, wie bei meinem Vater. Er träumte nicht von einem irischen Frieden, sondern von einem britischen Debakel. Er wollte die Briten bekriegen, schlagen, erniedrigen und dann erst über ihre Kapitulation verhandeln.
    Mallory war ein Techniker. Schweigsam, geduldig, arbeitsam, verbrachte er Tage und Wochen damit, immer leistungsfähigere Sprengsätze auszutüfteln. Er arbeitete an der Fernsteuerung, präparierte Autos, Türmatten, Briefe. Eine Mine, die für Panzerfahrzeuge auf dem Land gedacht war, musste ganz anders konstruiert sein als eine Bombe, die in der Stadt auf dem Weg einer Patrouille gelegt werden sollte. Milchflaschen am Straßenrand waren eine Bedrohung für den Feind. Ebenso wie Strommasten in Belfast, Gaszähler in Schenkelhöhe, die kleinste Mauerritze. Die Briten rissen unsere Fahnen ab? Er präparierte den Fahnenmast.
    Jim O’Leary misstraute Militärsprengstoffen aus Ungarn und der Tschechoslowakei. Er war ein irischer Bauer und zog die Rohstoffe unserer rauen Gegend vor. Ein großer Sack Unkrautvertilger, Zucker, Säure, etwas irische Erde, geriebene Seife, um die Wunden zu infizieren, Bolzen, Nägel, und die Sache war geritzt.
    Er hatte keine Bedenken. Keine Reue, nie. Aber einen Grundsatz, der von unserer Führung bestimmt worden war: keine zivilen Opfer. Die IRA kündigte Bombenexplosionen eine halbe Stunde vorher an. Manchmal war das nicht genug. Dann konnte es Opfer geben. Einmal war ich mit Jim in einem republikanischen Pub gewesen. Eine Passantin war mitten auf der Straße von einem unserer Geräte getötet worden. DasFernsehen zeigte die Bilder in Endlosschleife. Die IRA hatte die Polizei gewarnt, doch die hatte die Straße nicht geräumt.
    »Briten-Sauerei!«, schrie ein junger Mann und setzte sein Glas ab.
    »Die Bombe hat sie getötet, nicht die Briten«, widersprach Mallory.
    Der Junge kam nicht aus dem Viertel. Er wollte dazugehören, deswegen machte er so viel Wind.
    »Ohne die Briten hätte es gar keine Bombe gegeben, du Trottel«, schrie er.
    »Falsch. Ohne den Bombenleger hätte es keine Bombe gegeben.«
    »Die IRA lässt sich nicht so gern Vorschriften

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