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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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verkündete er ein erstaunliches Ereignis.
    Ich hatte gewusst, dass ich ihn da finden würde, beim Wohltätigkeitsbasar des Hundeclubs der Docks von Belfast. Popeye hatte einen braun-weißen Foxterrier. Die IRA hatte überlegt, die Sache gleich hier zu erledigen. Seinen Wagen an der »Fountain’s Tavern« zu präparieren, aber da war zu viel los. Frauen, Kinder, Hunde. Wenn es Ray Gleeson auf demWeg zur Arbeit erwischte, träfe es einen Gefängnisaufseher. Hier nur Taffys Herrchen. Also hatte Jim O’Leary das Ganze abgeblasen.
    Ich sagte Popeye noch einmal, dass er bedroht sei. Man habe ihn lokalisiert, ausspioniert, verfolgt und fotografiert. Donnerstag sollte es passieren.
    »Ich werde dich bei der Polizei anzeigen müssen, Meehan.«
    Ich sah ihn an. Sollte er doch tun, was er wollte. Sein Gesicht erinnerte an die Frau auf dem Hitchcock-Plakat, die von den Vögeln angegriffen wird. Er legte mir die Hand auf den Arm.
    »Warum sagst du mir das?«
    Ich sah ihn an. Ihn, seinen Hund, die sonntägliche Menschenmenge. Mikrofonansagen, Tanzmusik, Zwingergeruch. Ich war ein Verräter. Ich hatte soeben verraten. Ich schüttelte seine Hand ab. Und machte eine Ohnmachtsgeste. Warum? Meinetwegen. Bestimmt. Um mich zu schützen. Eine Frau, deren Hund mit Bändchen in den Farben der britischen Fahne geschmückt war, rempelte mich an. Sie entschuldigte sich, lächelte mir zu, grüßte Popeye. Ich hatte hier nichts zu suchen, und doch war dies der richtige Ort für einen Verräter wie mich.
    Ich rannte zur Bushaltestelle. In Panik. Das war nicht mein Viertel. An den Wänden überall Graffiti zu Ehren der loyalistischen Paramilitärs. Die Straßenränder blau-weiß-rot bemalt. Ich war mitten unter ihnen. Im Heiligtum des Feindes. Ich fürchtete mich davor, einem von ihnen zu begegnen. Einem, der mein Gesicht in hassender Erinnerung hatte. Oder, noch schlimmer, einem der Unseren. Einer IRA-Einheit im Einsatz.
    »Hey? Ist das nicht Meehan, dort auf dem Bürgersteig?«
    Auf diesem Bürgersteig gesehen zu werden wäre der Anfang von meinem Ende. Popeye hatte das riskiert, hatte sich mitten ins Ghetto von Strabane geschmuggelt, um Aidans Brief zu überbringen. Also hatte ich meine Nachricht in seines gebracht. Und er hatte sich bedankt, ohne zu verstehen. Ich kannte seinen Blick. Es war der Blick eines Gefangenen.
    *
    Ich wurde nicht hart angefasst, als man mich am 8. Juli 1981 morgens in der Castle Street, die von der Falls Road in die Innenstadt führt, überprüfte. Polizeikontrolle der Katholiken vor den Schranken, Absperrungen und Betonblöcken auf der Straße. Frauen und Kinder links, Männer rechts, mehrere Dutzend Leute warteten darauf, die Hände für die Durchsuchung zu erheben. Soldaten in der Baracke ließen ihren Blick über die Menge schweifen, das Auge am Sucher des Sturmgewehrs. Sie waren angespannt. Seit fünf Uhr morgens brachte der Tod von Joe McDonnell unsere Viertel zum Kochen: Der Älteste der Hungerstreikenden war mit dreißig gestorben, nach einundsechzig Tagen ohne Nahrung. In der Baracke warf ich alles, was ich in der Tasche hatte, auf den Tisch. Der Cop fragte mich nach meinem Namen, meiner Adresse, woher ich kam und wohin ich ging. Sein Kollege rief die Zentrale an.
    »Ich buchstabiere: M. E. E. H. A. N. Tyrone, wie die Grafschaft.«
    Ich musste ihnen folgen. Ein paar Jungen aus der Menge riefen Parolen für mich. In dem Panzerfahrzeug war ich mitden Uniformierten allein. Kein Wort, keine Beschimpfung, kein Schlag. Ich war nicht einmal gefesselt. Es ging die Falls Road hinauf bis zur Kaserne in der Glen Road gegenüber dem Milltown-Friedhof.
    In einem Büro wartete Waldner auf mich. Und der Cop mit den roten Haaren. Kein Tisch, nur unsere drei Stühle.
    »Zigarette, Tenor?«, fragte Waldner.
    »Mein Name ist Meehan.«
    »Meehan heißt du nur für den Polizeitrottel, der dich hergebracht hat. Für uns bist du Tenor.«
    Die zwei Briten setzten sich. Waldner war verlegen. Ich begegnete dem Blick des Cops, der mir beruhigend zublinzelte.
    »Also, Tenor. Wir haben dich herbringen lassen, um dich an die Regeln zu erinnern.«
    Ich betrachtete die Zigarette zwischen meinen Fingern.
    »Was du für den Schließer getan hast, war mutig. Aber es ist nicht das, was wir von dir verlangen.«
    »Du bist kein Cop, Tyrone«, setzte Dominik fort. »Es ist nicht deine Aufgabe, für Recht und Ordnung in Nordirland zu sorgen.«
    »Recht und Ordnung sind wir«, fügte der MI5-Mann hinzu.
    »Was hätte ich tun sollen?«
    Waldners

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