Rückkehr nach St. Elwine
aufgerissen wurde. Eine zierliche Gestalt mit brünetter Lockenmähne hastete an ihr vorbei, stürzte sich in eine der Toilettenkabinen und dann hörte sie nur noch ein jämmerliches Würgen. Ihr eigener Magen zog sich aus Solidarität ebenfalls sofort zusammen. Dann trat plötzlich Stille ein.
„ Ähm, hallo, alles in Ordnung mit Ihnen?" Sie klopfte an die Tür.
Liz wischte sich die Tränen, die vor Übelkeit in ihre Augen gestiegen waren, fort und rappelte sich langsam wieder hoch. Sie betätigte die Spülung und kontrollierte, ob auch alles sauber war, bevor sie die Tür öffnete. „Ja, mir geht `s wieder bestens. Danke." Sie riss die Augen auf, als sie die blaue Sexbombe erblickte. So ein Mist, schoss es ihr durch den Kopf.
Victoria zog sie kurzerhand in den geräumigen Waschraum, drückte sie in einen der bereitstehenden Korbsessel und legte ihr ein feuchtes Tuch auf die Stirn.
„ Ich hoffe, es liegt nicht an dem tollen Büfett, das meine Schwester auftafeln ließ. Angie hat extra einen exklusiven Dinner-Service aus Baltimore beauftragt und dann so was."
„ Nein, nein", beeilte sich Liz zu entgegnen. „Das ist mir vor ein paar Tagen schon mal so ergangen. Vielleicht hab ich eine Magenverstimmung."
Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln, das ihre Augen allerdings nicht erreichte. Trotzdem sah sie gleich wie ein anderer Mensch aus.
Victoria betrachtete sie. „Das waren doch Sie kürzlich in Joshs Haus, nicht wahr, Dr. Crane?"
„ Äh ja, ich muss mich noch für meine Unhöflichkeit dort entschuldigen."
Was rede ich für einen Mist, schoss es ihr durch den Kopf. Schließlich hat sie sich mir ja auch nicht vorgestellt. Ist es da ein Wunder, dass sie einem Irrtum erlag?
„ Ich fürchte, es gab ein kleines Missverständnis“, murmelte Elizabeth leise.
„ Offensichtlich, aber das dürfte ja nun geklärt sein. Im Übrigen kann ich sie beruhigen. Mein Bruder steht nicht auf solche ausgeflippten Bräute wie mich."
Liz starrte ihr ins Gesicht, ob dieser frappierenden Offenheit. Sie begann, Victoria Tanner zu mögen. Herrje - was hatte diese Familie nur an sich.
„ Was soll ich schließlich drum herum reden? Das liegt mir nicht besonders", gab Vicky ehrlich zu.
Elizabeth konnte sich nun ein Lächeln nicht mehr verkneifen.
Da war sie wieder die völlige Verwandlung ihres Gesichts und in den bernsteinfarbenen Augen hüpften kleine Goldsprenkel durcheinander. Also, das war es, was ihren Bruder an dieser Frau so faszinierte, stellte Victoria fest. Die kurvenreichen Blondinen waren von jeher nur Tarnung für die Öffentlichkeit gewesen. Diesen Verdacht hegte sie ja bereits schon lange und jetzt hatte sie den Beweis - direkt vor ihrer Nase. In Wirklichkeit sehnte Josh sich nach etwas ganz anderem. Nämlich nach einer Frau, die gleichzeitig Geliebte und Freundin für ihn sein konnte und das für eine möglichst lange Zeit, wenn nicht gar für immer.
Plötzlich ertönte ein Piepen aus Elizabeths Handtasche. Sie wühlte in ihrer Tasche, um das nervige Geräusch abzustellen. Anschließend kramte sie dann ihr Handy hervor und betätigte die Taste für die gespeicherte Nummer des Krankenhauses.
„ Dr. Crane hier. Was gibt es?"
„ Okay." Hörte Victoria sie sagen.
„ Das Übliche, Blutgase, Urinstiks, Drogenscreening. Hängen Sie eine Konserve an, ich komme sofort und sagen Sie schon im OP Bescheid!"
Liz sprang bereits auf, noch während sie ihre Anweisungen präzise formulierte. Sie spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und wandte sich schließlich an Victoria.
„ Falls mich jemand vermissen sollte, sagen Sie denen bitte, dass das Krankenhaus mich angepiepst hat. Es gab eine Messerstecherei im Hafenviertel. Das Ding steckt noch im rechten Lungenflügel meines Patienten. Scheint ein wirklich netter Abend zu werden. Auf Wiedersehen und vielen Dank noch mal."
Dann lief sie eilig davon und Vicky starrte ihr verblüfft nach. Eben noch ging es der anderen Frau hundeelend, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und schon spulte sie professionell ihre Anweisungen in schlafwandlerischer Sicherheit herunter. Der alte Brummbär hatte wirklich eine ihm ebenbürtige Meisterin gefunden. Wahrscheinlich war die kleine Dr. Crane gar nicht so übel, wenn man hinter ihre Fassade blickte. Das musste ihr Bruder schon lange erkannt haben.
26. Kapitel
Ein Mitarbeiter der City Hall war so freundlich, Elizabeth unverzüglich zum Krankenhaus zu fahren. Schon bevor der Wagen hielt, sprang sie heraus und
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