Rückkehr nach St. Elwine
sehr stark sein, um ständig so strahlend, so ausgeglichen, so selbstbewusst aufzutreten. Obgleich Olivia Tanner nie kühl oder distanziert wirkte, sondern eher das Gegenteil der Fall war. Es umgab sie eine warmherzige, freundliche Aura und dieses offene Wesen war eindeutig weder anerzogen, noch antrainiert. Sie gehörte zu den Frauen, denen Eleganz angeboren zu sein schien. Und sie hatte ihr gutes Aussehen an jedes ihrer drei Kinder vererbt. Das war auch bei Josh unverkennbar. Allerdings traf das nicht auf seine Arroganz zu. Die stammte eindeutig nicht von seiner Mutter. Sie war selbstbewusst, aber niemals arrogant. Jetzt, mit der bedrohlichen Angst vor Augen wirkte sie allerdings nur noch unendlich traurig. Liz beobachtete, wie sie krampfhaft versuchte, die aufsteigenden Tränen fortzublinzeln, die hinter den langen dichten Wimpern versteckt, schimmerten. Die Frau tat ihr aus tiefster Seele leid. Doch, wenn sie gleich in den OP ging, musste Elizabeth, um die nötige Distanz aufzubauen, jeden Gedanken an eine verängstigt wartende, liebevolle Ehefrau verbannen. Auch wenn das sehr hart und kalt klang.
Die Schwingtür flog auf und Josh trat mit raschen Schritten auf seine Mutter zu. "Wie geht es Dad?" Er wirkte gehetzt. Behutsam berührte er das Haar seiner Mutter.
"Josh." Erleichterung klang aus ihrer Stimme. Sie fühlte sich nun nicht mehr so schrecklich verloren, wie vorhin, als Peter zu Hause zusammen gebrochen und in der Notaufnahme in eines der Untersuchungszimmer geschoben worden war. Plötzlich jedoch konnte sie ihre mühsam zurück gehaltenen Tränen nicht länger zügeln. Olivia lehnte ihren Kopf an die breite Brust ihres Sohnes, und er legte schützend seine Arme um sie.
Sie waren untrennbar miteinander verbunden. Liz konnte diese Verbundenheit genau spüren. Sie musterte Josh unauffällig. Erstaunt bemerkte sie erst jetzt, wie staubig er heute aussah. Seine Stiefel und Hosen waren mit einer Schmutzschicht überzogen. Das Hemd stand offen und wirkte, als wäre es hastig übergestreift worden.
Sie schluckte. Ja, er sah verdammt gut aus, selbst unter all dem Schmutz. Doch, natürlich wusste er es.
Josh schien Elizabeths Blick zu spüren, denn plötzlich sah er ihr in die Augen. Sie entdeckte Schmerz. Diesen Kummer hatte sie bereits schon einmal bei ihm bemerkt. Der Abend am Strand, sie erinnerte sich genau. Es war nicht mehr als ein kurzes Aufblitzen in den samtbraunen Tiefen seiner Augen gewesen. Das sich sogleich wieder in einen überlegenen, kühlen Blick verwandelt hatte. Doch im Augenblick hatte er sich nicht so gut im Griff.
Er schloss plötzlich die Lider mit den lächerlich langen Wimpern und Liz spürte, wie er sich dadurch vor der Umwelt abschottete, so als hätte er einen meterhohen Schutzwall um sich errichtet.
"Theo will einen Bypass legen“, erklärte Olivia. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Ich vertraue ihm." Sie klang, als würde sie vor allem sich selbst zu beruhigen versuchen. Endlich gelang es ihr ein wenig, ihre Schwäche zu überwinden. Josh murmelte leise auf sie ein. "Dr. Crane wird ihm assistieren. Du kennst sie ja bereits, wie ich hörte", erklärte seine Mutter. Die unausgesprochene Frage hing in der Luft wie ein sich träge drehender Ventilator.
Endlich sah Josh auf. "Liz."
"Hallo. Es tut mir leid, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen."
Er nickte kurz, nahm ansonsten aber keine weitere Notiz von ihr.
Schön, wenn er es so haben will, ihr konnte das egal sein. Sei nicht albern! Seinem Vater geht es mehr als schlecht. Er hat jetzt andere Sorgen. Er ist traurig.
"Grandma."
Ein kleines Mädchen mit pechschwarzen Haaren rannte über den Gang und flog geradezu in Olivia Tanners Arme. Hastig folgte ihr eine junge Frau, die ebenfalls unverkennbar Olivias Züge trug- Angelina Tanner-Rickman. Joshs ältere Schwester. Tränen glitzerten in ihren Augen und sie umarmte ihre Mutter. "Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte. Was ist mit Dad? Alex habe ich noch nicht erreichen können. Er hat einen Besichtigungstermin und geht nicht an sein Handy." Wie immer, wenn sie aufgeregt war, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. Olivia spürte die kurzen, heftigen Atemzüge ihrer ältesten Tochter. Sie wusste, wie sehr Angelina an ihrem Vater hing und nahm sie deshalb fest in die Arme. Beruhigend erklärte sie ihr den Zustand ihres Vaters.
Es musste schön sein, zu einer solchen Familie zu gehören, schoss es Elizabeth durch den Kopf.
Angelina gab jetzt Dr.
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