Ruegen Ranen Rachedurst
die Schuhbänder geschnürt waren. „Sehen Sie das? Einmal eine Doppelschleife – nein, ich glaube sogar eine Dreifachschleife! – und am anderen Fuß eine locker gebundene Einfachschleife, die fast von allein auseinandergeht.“
„ Ja, schon merkwürdig“, gab George zu.
„ Also, die meisten Leute, die ich kenne, binden sich ihre Schuhe an beiden Seiten auf dieselbe Art.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Hm, es gibt hier Schleifspuren. Ich nehme an, dass sich ein Schuh gelöst hat.“
„ Und zwar der mit der dickeren Sohle“, stellte George fest, nachdem er blitzschnell kombiniert hatte.
Benecke nickte anerkennend.
„ Genau. Und vermutlich war er genauso schlecht gebunden wie der Schuh mit der lockeren Schleife.“
„ Der Täter muss ein ordentlicher Mensch sein, wenn es ihm wichtig ist, dem Toten den Schuh wieder anzuziehen und dafür zu sorgen, dass er sich nun auch wirklich nicht mehr lösen kann“, staunte George.
Inzwischen hatte Jensen sein Telefonat beendet. „Wir haben den Namen des Toten“, erklärte er. „Von den Vermissten hat ein gewisser Markus Delwinger ein verkürztes Bein und trägt deswegen Spezialschuhe mit entsprechenden Einlagen und verstärkter Sohle. Das ist zwar keine offizielle Identifizierung, aber ich denke, wir können mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir hier Herrn Delwinger vor uns haben.“
„ Das lässt für das Schicksal der anderen Vermissten nichts Gutes ahnen“, seufzte George.
„ Wenn Sie Herrn Gratzow sprechen, dann grüßen Sie ihn schön von mir und fragen ihn doch bitte, ob er nicht insbesondere auf Ranen-Met im Magen achten könnte“, meinte Benecke an Jensen gewandt. Er zuckte mit den Schultern, als er die fragenden Blicke der anderen bemerkte. „Na, Aufenthalt am Strand, Leiche ohne Kopf, ein exotischer Käfer – wenn der Kerl jetzt vor seinem Tod auch Ranen-Met getrunken hätte, wäre da noch eine weitere Gemeinsamkeit vorhanden.“
Eine weibliche Stimme ließ Benecke nun aufhorchen.
„ Herr Benecke?“
Er drehte sich um und bemerkte Anja Salomon, eine der Polizistinnen, die ihm schon am Leichenfundort Ziegenstein begegnet war.
„ Ja, bitte?“
„ Ich habe gerade mit dem Mann gesprochen, der den Toten gefunden hat. Ein Rentner, der ziemlich durch den Wind ist. Ich glaube nicht, dass er irgendetwas gesehen hat, was Sie weiterbringen könnte.“
„ Tja, was einen weiterbringt, weiß man leider nicht immer sofort“, meinte Benecke etwas belustigt.
„ Der Mann braucht jedenfalls erst einmal jemanden, der sich um ihn kümmert. Er steht unter Schock. Aber von den Kollegen des Rettungsdienstes wollte er sich gar nicht mitnehmen lassen, und ich musste ihn förmlich überreden. Natürlich haben wir seine Personalien.“
„ Was mich interessieren würde, ob hier jemand Spuren eines Wagens gesehen hat. Ich meine so einen Handwagen, wie ihn die Joggerinnen am Ziegenstein gesehen haben.“
„ Es gibt eine Spur“, sagte Anja Salomon. „Ich habe sie abgesteckt. Die Kriminaltechnik soll sich später darum kümmern, aber Sie können sie sich gerne ansehen.“
Benecke war sofort Feuer und Flamme: „Zeigen Sie mir doch bitte, was Sie meinen.“
Die junge Polizistin führte die drei Männer zu einer Stelle, an der der Boden nach einem Regenguss etwas länger feucht geblieben war, weil das Wasser aufgrund der Bodenbeschaffenheit wohl schlechter ablaufen konnte. Auf einer Länge von etwa anderthalb Metern waren zwei recht frische und gut erhaltene Reifenspuren zu sehen. Ein Profil war nicht erkennbar, aber für zwei nebeneinander fahrende Fahrräder waren die Spuren erstens zu schmal und zweitens variierte der Abstand nicht.
„ Das war ein Wagen“, stimmte Benecke zu. „Und zwar einer, der beladen war, sonst wäre er kaum so tief eingesunken.“
***
Zusammen mit Hauptkommissar Jensen fuhren George und Benecke später nach Sassnitz. Dort befand sich die Ferienhausanlage von Frank Thier auf der Halbinsel Jasmund. Hier hatten die vermissten Männer gewohnt.
Während der Fahrt versuchte Benecke, Lydia anzurufen, die ja möglicherweise ganz in der Nähe war. Aber er bekam keinen Kontakt zu ihr.
„ Vielleicht ist ihr Akku leer“, meinte George.
„ Na ja, ich dachte, dass ich mit Lydia noch ein paar Schritte durch diesen Nationalpark machen kann, wenn ich schon mal hier bin.“ Benecke klang etwas kleinlaut.
George warf ihm einen amüsierten Blick zu.
„ Damit Ihre Frau hinterher nicht sagen kann, Sie
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