Ruegen Ranen Rachedurst
Kilometer bis zum Haus von Cornelius und Erdmute von Bergen.
„ Ich schlage vor, wir fahren da einfach mal hin“, meinte Benecke. „Und falls alles umsonst sein sollte, wissen wir hinterher auf jeden Fall, wie Ranen-Met schmeckt!“
Hauptkommissar Jensen seufzte. „Ich weiß zwar nicht, weshalb Sie diesen Punkt für so wesentlich halten, aber …“
„ Und hinterher gehen wir dann auf den Kutter 4“, lautete der Vorschlag des hungrigen Reporters.
„ Einverstanden“, murmelte Jensen schließlich.
***
Das Haus von Erdmute und Cornelius von Bergen lag sehr einsam und in Sichtweite des Strandes. Der Weg war holprig und wahrscheinlich bei feuchter Witterung gar nicht zu befahren, es sei denn, man besaß einen Offroader. Aber in dieser Hinsicht waren die von Bergens gut ausgerüstet. Ein Ford Maverick war unter einem etwas provisorisch anmutenden Unterstand zu sehen. Das Haus selbst war reetgedeckt und vollkommen mit wildem Wein bewachsen.
„ Ranen-Met vom Fass“ stand auf einem auffälligen Holzschild in einer ungelenk wirkenden Schrift.
„ Sieh an, da sind wir ja wohl richtig“, meinte Benecke, nachdem sie ausgestiegen waren.
„ Und das in mehrfacher Hinsicht“, ergänzte George, der sogleich ein paar Bilder schoss. Besonders angetan hatte es ihm die hölzerne, vierköpfige Statue neben dem Haus.
„ Ist das der Ranen-Gott Svantevit?“, fragte Benecke.
„ Wie er leibt und lebt, oder besser gesagt, wie er heutzutage eben nur noch in rekonstruierter Form existiert. Es gibt da ja diese nachgemachte Svantevit-Statue am Kap Arkona. Diese hier ist zwar etwas kleiner, aber sie sieht dem Original schon ziemlich ähnlich!“
„ Es passt alles zusammen“, meinte Benecke.
„ Was meinen Sie damit?“, wollte Kommissar Jensen wissen, der inzwischen seinen Wagen auch verlassen hatte, in den tiefen Sand getreten war und jetzt die Schuhe voll davon hatte. So lehnte er sich gegen den Kotflügel seines Wagens, zog einen Schuh aus, leerte ihn und vollzog dann dasselbe mit dem zweiten. „Sand in den Schuhen, das hatten die Opfer auch“, gab Benecke zu bedenken.
„ Und es gab Ranen-Met zu trinken. Das vermisste Quartett ist verschwunden, nachdem es zu einem längeren Spaziergang aufgebrochen ist, vielleicht am Strand entlang oder über einen der Wanderwege, die es hier gibt.“
„ Ja, das wäre natürlich eine Möglichkeit“, gab Jensen zu.
„ Auf jeden Fall gelangt wohl niemand ohne Sand in den Schuhen zum Ranen-Met!“, stellte George fest, der auch schon etwas von dem feinen Meeressand in den Schuhen hatte und sich durch ein Schütteln der Füße davon zu befreien versuchte.
„ Na, dann wollen wir mal sehen, was uns erwartet“, meinte Benecke und schritt zur Tat.
Das Trio erreichte die Tür. Über dem Türsturz waren eigenartige Zeichen in das Holz geschnitzt und mit blutroter Farbe eingefärbt worden. Pentagramme, Sechsecke, dazu verschnörkelte Signaturen von Buchstaben und uralte Alchimisten-Zeichen, die wohl chemische Elemente darstellten. Okkulte Zauberzeichen, über deren genaue Bedeutung man in diesem Zusammenhang nur spekulieren konnte. Darüber war ein fratzenhaftes, aus Holz geschnitztes Gesicht zu sehen, das in Stil und Ausführung den vier Svantevit-Gesichtern der Holzstatue entsprach.
Eine Klingel gab es nicht – und ein Namensschild suchte man ebenfalls vergeblich an der Tür.
„ Na, dann klopfen Sie mal. Sie sind doch die Amtsperson“, wandte sich Benecke lächelnd an Hauptkommissar Jensen.
Jensen klopfte.
„ Herein!“, rief eine schrill klingende Frauenstimme aus dem Inneren. Die Tür öffnete sich knarrend fast wie von selbst. Sie war offensichtlich gar nicht richtig verschlossen gewesen. Innen herrschte ein diffuses Halbdunkel, und der Geruch von Räucherkerzen und exotischen Teesorten erfüllte die Luft. Benecke, Schmitz und Jensen betraten einen völlig überladen wirkenden Verkaufsraum. Die Regale reichten bis zur Decke und waren mit einer sehr eigentümlichen Mischung gefüllt. Es gab Bücher zu okkulten Themen mit Titeln wie „Mit Spiritualität gegen Krebs“ oder „Wie finde ich mein Sonnenkarma?“ aber auch „Die Macht der alten Erdgötter“ und „Das Horoskop der Ranen“. Daneben standen ziemlich unvermittelt handbeschriftete Gläser mit den unterschiedlichsten Inhaltsstoffen. Pulver und Tinkturen, deren Namen sich lasen, als wären sie einem alchimistischen Lexikon entnommen, und getrocknete Kräuter wechselten sich mit ellenbogenhohen
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