Ruegen Ranen Rachedurst
schon eine ganze Reihe von Einsatzfahrzeugen an den beiden Orten stand.
Davon abgesehen, war der Bereich weiträumig von der hiesigen Polizei abgesperrt worden, um möglichst zu verhindern, dass Touristen dorthin gelangten.
So mussten Benecke und George das letzte Stück laufen.
„ Auf diese Weise kommen wir dann ja doch noch zu einer Wanderung durch Jasmund“, flachste George. Aber er ahnte bereits, dass ihm seine Lockerheit wohl in Kürze abhandenkommen würde, sobald sie erst die Orte des Schreckens erreicht hatten.
Benecke war etwas einsilbig an diesem Morgen. George warf ihm einen verwunderten Blick zu.
Ein uniformierter Polizist wollte sie am Absperrband zunächst aufhalten, aber Susanne Hawer war in der Nähe. Die Polizistin eilte sofort herbei und meinte: „Das ist schon in Ordnung. Hauptkommissar Jensen wartet schon auf die beiden hier.“
Susanne Hawer wandte sich an Benecke und Schmitz. Sie war recht blass. „Kommen Sie, ich führe Sie zunächst zum sogenannten Opferstein“, meinte sie nur tonlos. „Sie sind ja vielleicht mehr gewöhnt als ich – aber ich prophezeie Ihnen, bei dem, was Sie gleich sehen werden, müssen Sie auch schlucken!“
„ Ich versuche immer, die Dinge so zu sehen, wie sie sind“, sagte Benecke.
„ Also objektiv“, meinte Susanne Hawer kurz und bündig.
„ Nein, von möglichst vielen Seiten und unter möglichst vielen Aspekten.“
„ Ach so.“
Plötzlich fiel dem Kriminalbiologen ein, dass er die Polizistin als Ortskundige auch nach einer Besonderheit fragen konnte, die ihm schon beim Studieren der regionalen Karte aufgefallen war. Außerdem hatte Georg Schmitz den Ort heute Morgen schon genannt.
„ Sagen Sie, Herthasee, Herthaburg, was ist das eigentlich für eine Hertha, um die es hier überall geht?“
„ Das war eine vorchristliche Göttin“, gab Susanne Hawer bereitwillig Auskunft.
„ Genauso wie der vierköpfige Svantevit?“, fragte George.
„ Richtig. Nur, dass Hertha mit einem von Kühen gezogenen Wagen über die Insel gefahren sein soll.“
„ Ist an diesen Steinen der Göttin Hertha geopfert worden?“
„ Bei dem Sagenstein bin ich mir nicht sicher. Aber der Opferstein wurde erst im 19. Jahrhundert als Sehenswürdigkeit für die Touristen an seine jetzige Stelle gebracht. Immer wieder wird dieser Stein mit roter Farbe angestrichen, was ich sehr geschmacklos finde. Meinen Sie, dass es wichtig ist, ob es sich um tatsächliche oder nur vermeintliche Opfersteine handelt?“
Benecke zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich noch nicht. Aber der Täter hat sich bei der Ablage der Leichen viele Gedanken gemacht, und ich versuche, diese nachzuvollziehen, soweit das irgendwie möglich ist.“
Der Opferstein, zu dem sie die junge Polizistin führte, lag wie die zwei vorherigen Fundorte im Wald und zwar in der Nähe eines Burgwalls. Lichtstrahlen fielen durch die Baumkronen und gaben der Szenerie einen surrealen Charakter wie in einem Fantasy-Film. Da fehlte jetzt eigentlich nur noch ein Paar wie die von Bergens – ein selbst ernannter Priester mit einem Horn voller Ranen-Met und eine sogenannte neue Hexe, die tellurische Kräfte, also auf die Erde bezügliche Kräfte, mit uralten Formeln heraufbeschwor.
Seit Jahrzehnten wurde der Opferstein mit roter Farbe angemalt, um die Szenerie realistischer erscheinen zu lassen und den Touristen einen heidnisch-okkulten Schauder zu bescheren.
An diesem Morgen wäre eine Schreckensinszenierung gar nicht nötig gewesen, denn die kopflose Leiche, die auf den Felsblock drapiert worden war, wirkte schauderhaft genug.
Hauptkommissar Jensen stand in der Nähe und telefonierte. „Ich verstehe das nicht, wieso ist der Erkennungsdienst noch nicht hier? Ja bitte, etwas schneller, wenn es geht, was glauben Sie wohl, was hier los sein wird, wenn erst die Presse darüber berichtet!“ Jensen seufzte. „Bis gleich!“, knurrte er dann und beendete das Gespräch. Dann bemerkte er Benecke und George. „Ah, gut, dass wenigstens Sie da sind.“
„ Zwei Opfer diesmal?“, vergewisserte sich Benecke.
„ Ja. Ein Toter bei diesem Stein, den der Volksmund Opferstein nennt, der andere beim Sagenstein. Da führe ich Sie gleich hin, wenn Sie hier fertig sind. Ohne dass wir jetzt schon hundertprozentig sicher wären, können wir jedoch annehmen, dass es sich um die beiden letzten Vermissten der verschwundenen Vierergruppe um Frank Schneider handelt. „Der Täter wollte wohl …“, Jensen atmete tief durch und brach den
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