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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unglaublich.«
    Deike schenkte Wein ein und holte dann die beiden Teller aus der Küche. Sie setzte sich ihrer Schwester gegenüber und ergriff ihr Glas.
    »Herzlich willkommen, große Schwester!«
    »Danke, kleine Schwester!«
    Sie stießen an.
    »Und jetzt guten Appetit!«
    »Danke schön.« Natty schob sich eine Gabel in den Mund. »Mmhh.« Sie verdrehte die Augen. »Das ist köstlich! Ich glaub’s einfach nicht: Meine kleine Schwester kann kochen? Wieso weiß ich nichts davon?«
    »Das hat sich so ergeben«, antwortete Deike bescheiden. »Mit den Kollegen in Frankfurt habe ich mich einmal im Monat getroffen. Jeder war mal dran als Gastgeber. Tja, irgendwie hat es sich so entwickelt, dass einer den anderen übertreffen wollte und wir schließlich alle die tollsten Menüs gekocht haben.«
    Deike erzählte von den gewagtesten Kreationen und von den größten Reinfällen. Sie selbst hatte zum Beispiel einmal Pech mit dem Rindfleisch gehabt. Einer nach dem anderen hatteverstohlen die harten Brocken beiseitegeschoben und nur Reis mit Soße gegessen. Einem Kollegen war es noch übler ergangen. Er hatte Zucker mit Salz verwechselt, so dass die Mango-Creme völlig ungenießbar war. Während sie die peinlichsten Missgeschicke schilderte, holte sie Nachschlag. »Für mich allein koche ich selten. Das macht einfach keinen Spaß. Die Frankfurter Bande fehlt mir ganz schön«, sagte sie schließlich.
    Natty ließ die Gabel sinken und betrachtete sie ernst. »Wir sehen uns viel zu selten, was?«
    »Na ja, ja, stimmt schon.«
    »Ich meine, ich habe nicht einmal gewusst, dass du kochen kannst. Dafür, dass du meine Schwester bist, noch dazu meine einzige, weiß ich eigentlich nicht viel von dir. Wir sind beide so früh selbständig geworden.«
    »Mach dir keine Sorgen, außer dem Küchenfimmel habe ich keine dunklen Geheimnisse.«
    »Im Ernst, Deike, wir sind schon eine komische Familie, findest du nicht? Unseren alten Herrn sehen wir doch auch nur alle Jubeljahre. Er vermittelt uns Wohnungen, wenn wir wieder einmal umziehen, was wir gefühlt einmal im Jahr tun. Zu Weihnachten treffen wir uns irgendwo …«
    »Von unserer Frau Mutter gar nicht zu reden.«
    »Sie hat uns verlassen. Was erwartest du?« Natty zog eine Grimasse.
    »Sie hat unseren Vater verlassen. Seine Kinder verlässt man nicht«, korrigierte Deike, obwohl sie natürlich wusste, dass Natty es genauso sah.
    Einen Augenblick schwiegen beide. Der Wind frischte auf, und Deike schloss die Terrassentür. Sie blickten still in die Flamme der Kerze auf dem Tisch, die nun allmählich zur Ruhe kam.
    »Sie wollte sich verwirklichen«, setzte Natty wieder an, »hat sich gesucht und einen Mann gefunden, der keine Kinder hat und mit ihr die ganze Welt bereist. Das ist Freiheit, Schwesterchen.« Sie hob ihr Glas und stieß damit leicht gegen Deikes. Ein helles Klirren erklang. »Ich gönne es ihr.«
    »Ja, ich gönne es ihr auch.«
    Wie Deike prophezeit hatte, kamen die Schwestern an diesem Abend nicht früh ins Bett.
     
    »Ich hätte schwören können, du willst zuerst nach Sellin, um die Seebrücke zu sehen.« Deike schnitt ihr Brötchen in zwei Hälften.
    »Die läuft doch nicht weg. Hannes hat so viel von dem Fischerörtchen Vitt erzählt, dass ich große Lust hätte, heute dorthin zu fahren.«
    »Hannes? Ach, Schlabberhose. Ich hatte vergessen, dass ihr euch schon nähergekommen seid.«
    Natty griff nach dem Himbeergelee und kniff die Augen zusammen. »Sag mal, bist du etwa eifersüchtig?«
    Deike verschluckte sich beinahe an ihrem Bissen. »Wie bitte? Du hast doch wohl nicht alle Fransen am Teppich! ICH finde diesen Typen unterirdisch, aber du hast ihn ja offenbar ins Herz geschlossen und gleich vertraulich geduzt.«
    »Entschuldige mal, er dürfte ungefähr in meinem Alter sein. Da sieze ich ihn doch nicht. Du bist sonst doch auch nicht so konservativ.«
    »Mir hat er das Du aber noch nicht angeboten.«
    »Das ist auch dein Job als Frau.«
    »Stimmt nicht, er ist der Ältere, er muss es anbieten.«
    »Ach, Schwesterchen, wer hat dich denn heute Morgen schon auf Krawall gebürstet?«
    Deike strahlte Natty an. »Niemand. Wenn du nach Vitt willst,fahren wir nach Vitt. Ich muss sowieso hoch ans Kap Arkona in eine Galerie. Das können wir super verbinden. Und Vitt ist bestimmt so spannend wie saure Milch, wenn Schlabber…« Sie erntete einen missbilligenden Blick von Natty. »… wenn Hannes das empfiehlt.«

6.
    »Endlich Ferien!«, murmelte Natty mit einem Seufzer tiefster

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