Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
denkmalgeschützten Häuschen entlang. Hausnummern gab es nicht. An ihrer Stelle zierten runenartige Symbole die Wände. In dem winzigen Hafen, eigentlich nur eine Kaimauer und ein Stückchen Strand, lagen bunte Boote, die man an Land gezogen hatte. In einem Unterstand hingen Netze aufgespannt, aus einem Räucherofen wehte der Duft von Hering, Dorsch und Aal herüber.
    »Zauberhaft«, sagte Natty und spielte gedankenverloren mit dem Ende ihres Zopfs.
    »Stimmt.« Deike faltete die Hände vor der Brust und deutete eine Verbeugung an. »Ich entschuldige mich in aller Form bei Hannes, gebe ihm absolut recht und bedanke mich für den genialen Tipp.«
    »Er sagt, das sei der romantischste Ort der ganzen Insel.«
    »So, so.«
    Eine Weile genossen sie noch die Stille in dem kaum mehr als zehn Häuser zählenden Dorf, dann machten sie sich, bevor gegen Mittag die Besucherströme den idyllischen Flecken überrennen würden, auf den Weg zur Spitze des Kaps. In einem Handwerkerhof, in dem sie zusahen, wie Filzhüte gemacht wurden, und jedes einzelne Modell aufprobierten, kauften sie sich zwei gleiche Bernsteinringe. Sie streckten ihre Hände mit den identischen Schmuckstücken vor und betrachteten sie stolz. Deike war in diesem Moment so glücklich, dass es ihr die Kehle zuschnürte.
    »Ich dachte immer, Bernstein ist etwas für alte Frauen.«
    »Quatsch!«
    »Wollen wir weiter?«
    »Warte, ich nehme noch zwei Kreidemännchen für meine Kolleginnen mit.«
    Während Natty zahlte, spazierte Deike draußen auf dem Hof herum. Sie sah einen Radfahrer und erkannte Silvio. Ob er hier am nördlichsten Zipfel der Insel wohnte? Er trug kurze Hosen und ein kurzärmliges Hemd. Seine Haut war von der Sonne schon leicht gebräunt, sein Haar glänzte wieder von diesem Hauch von Gel.
    »Silvio!« Deike hatte eine Idee. Wenn Silvio sich ihnen heute Abend anschließen mochte, wären sie zu viert. Dann bräuchte sie nicht zu befürchten, als drittes Rad am Wagen dabeizusitzen, wenn Hannes sich bestens mit Natty unterhielt. »Silvio!« Sie lief ein paar Schritte hinter ihm her, aber in den Riemchensandalen, die ihr schon einmal zum Verhängnis geworden waren, war sie nicht schnell genug. Verflixt, sie musste sich für diese Insel wohl doch noch festes Schuhwerk kaufen.
    »Hast du gerufen?« Natty sah sie kurz an und stopfte dann ihre Einkäufe in den kleinen ledernen Rucksack.
    »Nein. Ich dachte nur … Nein, lass uns die Leuchttürme erobern!« Wenn einer wie das dritte Rad sein würde, dann war das Schlabberhosen-Hannes. Natty und sie waren ein Herz und eine Seele. Und jetzt trugen sie sogar den gleichen Ring!
     
    Von dem Felsplateau, das die nördlichste Spitze Rügens markierte, hatten sie einen unglaublichen Blick zur einen Seite auf das Meer, zur anderen über Wiesen, leuchtende Rapsfelder und zahllose Sanddornsträucher mit ihren fast nadelartigen Blättern.
    »Willst du einen der Leuchttürme von innen sehen? Ich würde dann schon mal in die Galerie gehen. Ich muss mit dem Besitzer etwas besprechen.«
    »Welchen würdest du mir empfehlen?«
    »Am besten guckst du dir alle drei an.«
    »Willst du mich loswerden?«
    »Nein, ich will nur nicht, dass du etwas verpasst. Um ehrlich zu sein, war ich auch noch in keinem der Türme.«
    »Dann musst du mich begleiten.«
    Deike sah an dem höchsten der drei Backsteingebäude hinauf. Wie viele Stufen mochten es bis oben sein? Sie schaute auf die Uhr. »Das geht wirklich nicht. Ich muss auf jeden Fall bis sechzehn Uhr mit dem Galeristen sprechen. Und dann müssen wir uns auch langsam auf den Rückweg machen.« Sie rief sich in Erinnerung, was sie über die Türme vom Kap gelesen hatte. »Der viereckige ist der Schinkelturm. Darin sollen tolle Ausstellungen zur Seefahrt sein. Das neuere Leuchtfeuer«, sie deutete auf den runden, höchsten Turm, »ist von innen angeblich nicht so spektakulär. Dafür hast du von da oben den besten Blick.«
    Natty entschied sich für den beschwerlicheren Aufstieg und den Rundum-Blick, und Deike war froh, dass sie sich sputen musste, in die Galerie zu kommen.
    »Wir treffen uns dann da«, rief sie und lief zu dem etwas windschiefen Häuschen, das aussah, als lehne es sich seit Jahren gegen die Stürme, die hier oben fegten, und sei ganz erschöpft davon. Deike erwartete Ölbilder, Malereien, die Strand, Kreidefelsen und den dampfenden Roland zeigten, leicht kitschig und gefällig, so dass möglichst viele Touristen sich ein Souvenir mitnahmen. Sie wurde gründlich

Weitere Kostenlose Bücher