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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mal rein und frage, ob es zufällig Personalengpässe gibt.« Sie zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    »Nein, Deike, das ist keine gute Idee. Ich müsste erst anrufen und einen Termin ausmachen.«
    »Warum denn? Du bist halt gerade in der Gegend und willst dir einen Eindruck von der Klinik verschaffen. Das stimmt doch sogar.«
    Natty wirkte noch immer unentschlossen. So selbstbewusst und direkt sie sonst auch war, so unsicher wurde sie, wenn es darum ging, sich und ihre Fähigkeiten anzupreisen.
    »Gib dir einen Ruck!«
    »Ich weiß wirklich nicht …« Natty hatte ihr langes Haar zu einem Knoten gesteckt und strich sich jetzt eine Strähne, die sich gelöst hatte, hinter das Ohr.
    Nun wurde es Deike aber zu dumm. Sie klopfte an die Tür und machte rasch einen Schritt zur Seite, so dass sie durch das Fenster nicht zu sehen war.
    »Bist du irre?«, zischte Natty.
    »Du hast gestern so etwas behauptet«, flüsterte Deike und verschwand um die Ecke. Sie konnte gerade noch hören, dass Natty die Tür öffnete und höflich »Guten Tag«, sagte.
    Deike schlenderte den Flur entlang. An dessen Ende stand eine kleine Sitzgruppe unter einem Fenster, in einem Ständer lagen Zeitschriften. Dort würde sie sich niederlassen. Ein älterer Mann in Trainingsanzug kam aus einem der Zimmer und humpelte auf zwei Krücken an ihr vorbei. Bevor sie sich etwas zum Lesen aussuchte, ließ sie ihren Blick in die Ferne über das Wasser schweifen. Sie musste sich eingestehen, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte. Diese Aussicht würde beim besten Willen niemals Alltag werden. Ein guter Platz zum Arbeiten und bestimmt auch ein guter Platz, um gesund zu werden.Hübsche Parkanlagen rahmten das Klinikgebäude ein. Es gab jede Menge Sitzgelegenheiten zwischen Rosen und Rhododendronsträuchern. Sogar ein paar Liegen waren auf den Rasenflächen aufgestellt. Sie sah eine Frau, die einen Mann im Rollstuhl schob. Zwei Kinder tobten um eine Dame herum, die sich auf eine Krücke stützte und ihnen offenbar gerne zusah. Auf einem Kiesweg ging ein Pärchen entlang. Er hatte seinen Arm um ihre Taille gelegt. Deike stutzte. Ihr wurde flau im Magen, sie trat näher an das Fenster heran, so dass sie mit der Nase gegen das kalte Glas stieß. Das war doch … Nein, unmöglich! Warum sollte es nicht möglich sein? Sie starrte gebannt auf die beiden Menschen, die sich dem Klinikum näherten. Kein Zweifel, das war Hannes in inniger Umarmung mit einer ziemlich blassen Frau. Nun gut, so innig sah das Ganze nicht aus, aber doch ziemlich liebevoll und ja wohl auch eindeutig. Sie spürte, wie sich Enttäuschung in ihr breitmachte. Er war natürlich nicht verpflichtet gewesen, ihr von einer Freundin zu erzählen. Aber er hätte es fairerweise tun können, fand sie. Ihr fiel wieder ein, dass er ihr einmal etwas hatte sagen wollen, aber von Natty unterbrochen wurde. Gut möglich, dass er vorgehabt hatte, ihr von seiner Freundin zu erzählen. Andererseits hatte er es nicht getan, als sie ihn auf dem Schiff angesprochen hatte. Er hatte gesagt, das habe sich erledigt.
    Die Frau da unten war schlank, schon eher dünn. Ihr Gesicht wirkte, soweit Deike das von hier oben beurteilen konnte, etwas verkniffen. Nach einer potentiellen Patientin für Natty sah sie nicht aus. Sie bewegte sich ohne sichtbare Einschränkung, nicht einmal das kleinste Hinken war zu sehen. Deike versuchte sich zu erinnern, welche Abteilungen es außer der Orthopädie noch gab. Sie musste unbedingt noch mal einen Blick auf die Tafel im Foyer werfen. Die beiden bliebenstehen. Der Himmel über ihnen war bedrohlich schwarz. Es würde nicht mehr lange dauern, bis wieder die ersten Tropfen fielen. Hannes legte der Frau, die zu Boden starrte, eine Hand unter das Kinn und hob sanft ihren Kopf. Gleich würde er sie küssen. Das fehlte Deike noch. Nein, das wollte sie nicht mit ansehen müssen. Wie paralysiert klebte ihr Blick dennoch an dem Paar. Sie schaffte es einfach nicht, sich abzuwenden. Nein, er küsste sie nicht. Er redete auf sie ein, nahm sie in den Arm und drückte sie eine ganze Weile an sich.
     
    »Da steckst du ja!« Natty schickte sich an, den Flur entlangzukommen. Eilig ging Deike ihr entgegen. Sie wollte nicht, dass Natty Hannes mit der Frau sah. Dann mussten sie darüber reden, und dazu hatte sie überhaupt keine Lust.
    Natty schloss sie in die Arme und erdrückte sie beinahe. »Bin ich froh, dass du mich ins kalte Wasser geschubst hast«, sprudelte sie los. »Vorhin hätte ich dich noch

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