Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
mich sehr wohl. Sie kümmern sich hier wunderbar um mich.«
Er starrte sie entgeistert an. »Tatsächlich?«
»Oh ja. Nicht das geringste Unbehagen. Zuerst war es natürlich beängstigend – ich hatte ja nur die andere Anstalt zum Vergleich. Aber wie du siehst, ist es hier ganz anders. Ein bisschen wie ein Hotel. Nun … « Sie lachte. »Ein Hotel mit sehr eigenartigen Gästen. Aber ich kann mir aussuchen, mit wem ich verkehre. Und ich habe ein paar reizende Freundinnen gefunden. Du würdest nicht glauben, was heutzutage alles für Wahnsinn gehalten wird.«
Ihm kam das alles unwirklich vor, wie in einem Traum. »Ein Hotel. Aha. Mit einem Schlitz in der Tür, damit sie nach dir sehen können, wann immer es ihnen passt.«
Sie runzelte die Stirn. Die Bemerkung gefiel ihr nicht. »Ich weiß, dass es für dich schwer sein muss. Vater hat mir von deiner Verzweiflung geschrieben. Ich wünschte, es würde dich nicht so quälen.«
Sein Unbehagen verstärkte sich. »Großer Gott, wie könnte mich das nicht beunruhigen? Du verdienst etwas Besseres. Du verdienst es, frei zu sein.«
Sie seufzte. »Das ist genau der Grund, warum ich doch noch eingewilligt habe, dich zu empfangen. Ich wollte es dir höchstpersönlich sagen.« Sie holte tief Luft. »Ich weiß, dass es schwer für dich sein wird, dir das anzuhören.« Noch ein tiefes Luftholen, und dann: »Ich möchte hier nicht weg, Liebling, ich bin glücklich hier. Ich will hier bleiben – wenigstens noch ein Weilchen.«
»Nein.« Das brach so heftig aus ihm heraus, dass er kurz innehalten und sich sammeln musste. »Moreland hat dir das eingeredet.«
» Vater , James. Ich habe ihn nie anders genannt als Vater.« Ihre Augen waren groß und vertrauensvoll – die Augen eines jungen Hundes, den man schnell treten und noch schneller einschüchtern kann.
Der Gedanke erschreckte ihn. Er war erschüttert, denn bisher hatte er ihr gegenüber noch nie Gehässigkeit empfunden. Niemals. »Ich sehe mich also mit einer weiteren Frau konfrontiert, die sich weigert, schlecht von ihrem Vater zu denken – egal, wie sehr er es verdient.«
Sie verzog das Gesicht. »Oh, er ist kein Heiliger. Du verstehst mich falsch, wenn du glaubst, dass ich gegen ihn keine Beschwerden vorzubringen habe. Aber er ist nicht für das verantwortlich, was mir passiert ist.« Ihr Mundwinkel verzog sich zu einer seltsamen kleinen Grimasse. »Das war vorwiegend Boland.«
»Vorwiegend?«
»Vorwiegend«, sagte sie bestimmt. »Er war ein brutaler Mensch und hat bekommen, was er verdient hat. Aber … « Ihr Gesicht wandte sich zum Fenster, und er sah, wie sie schluckte. Sie war nicht so ruhig, wie sie erschien, doch aus irgendeinem Grund war es ihr wichtig, den Eindruck zu erwecken. Er atmete tief durch und erinnerte sich an den Rat, den ihm eine andere Frau gegeben hatte: Jeder ist eben auf seine Art mutig. Sie dürfen andere nicht verurteilen, wenn sie nicht in Ihr Schema passen . »Ich war noch sehr jung«, erklärte sie. »Kapriziös, eigenwillig. Es gibt so vieles, das ich bedauere.«
»Das ist keine verdammte Entschuldigung … «
»Natürlich nicht. Aber du hast mich ja gewarnt. Ach, ich weiß, du hast uns miteinander bekannt gemacht, aber du hast auch schnell gemerkt, wie schlecht wir zueinander passten. Du hast mich auf dem Weg zur Kirche die ganze Zeit gewarnt. Aber ich wollte ja nicht auf dich hören.«
»Das Gerede hat dich davon abgehalten. Diese tratschenden Hyänen … «
»Du bist so entschlossen, die Schuld bei anderen zu suchen«, murmelte sie. »Kannst du mir nicht auch ein bisschen davon zugestehen?«
In ihm regte sich der alte Zorn. »Das hatte nichts mit dir zu tun. Boland und Moreland … «
»Es hatte ausnahmslos mit mir zu tun.« Die Worte klangen gereizt. »Dass ich ihn getötet habe, tut mir nicht leid – und ich habe ihn getötet, James. Ich war froh darüber, und ich bin es noch. Ich hatte keine Wahl, und ich werde es nicht bereuen. Aber Gott allein weiß, warum ich überhaupt bei ihm geblieben bin. Du hast recht – und du kannst es von den Dächern schreien, wenn du dich dann besser fühlst –, du hast mir einen Ausweg aufgezeigt. Aber habe ich das Angebot angenommen? Gott im Himmel, warum habe ich es nicht angenommen? Das alles hätte verhindert werden können … « Sie drückte die Hand vor ihren Mund, schüttelte aber den Kopf, als er Anstalten machte, auf sie zuzugehen und sie zu umarmen. »Nein«, sagte sie schließlich und ließ die Hand schwer in ihren Schoß
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