Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
ein einziges Wort von mir ohne Skepsis anhören. Ich glaube, ihm wird erst wieder wohl sein, wenn du wieder bei uns zu Hause bist. Dein dich liebender Vater, Moreland
Das Papier in seiner Hand zitterte. Seltsam. Er schüttelte unwillkürlich den Kopf.
»Er weiß, dass ich hierbleiben will«, murmelte sie. »Bis ich meinen Frieden mit allem geschlossen habe, bin ich fern von der Welt besser aufgehoben.«
»Das kann ich nicht akzeptieren.«
»Nein, natürlich nicht. Aber im Gegensatz zu dir ist Vater dazu in der Lage, meine Wünsche zu respektieren.«
Das traf ihn wie eine Ohrfeige. »Nun, du hast mit Sicherheit den herzigsten Brief aus dem Bündel gewählt. Sonst schlägt er vermutlich andere Töne an.«
»Ach, James.« Sie legte die Stricknadeln weg und hielt ihm die Hand hin. »Gib ihn mir. Ich weiß nicht einmal, welcher es ist. Ich habe ihn aufs Geratewohl genommen.«
Er zerknüllte das Papier in seiner Faust, ein hässliches Geräusch. »Ich bin mir sicher, er wird dir epische Gedichte schreiben, solange du hier sicher weggesperrt bist. Ich bin derjenige, der mit ihm persönlich fertig werden muss.« Er warf das Papierknäuel auf den Boden. »Und mich wird er leider auch nicht so leicht los.«
»Hör auf, ihn zu verteufeln«, sagte sie scharf. »Und lass mich jetzt meinen eigenen Kampf kämpfen.«
»Oh ja, hier im Irrenhaus eingesperrt wirst du eine grandiose Schlacht schlagen!«
Sie sprang auf. »Bei Gott, wie ich mein Leben lebe, geht dich gar nichts an!«
»Dein Leben? Das nennst du ein Leben ?« Die Wut, die seit vier langen Jahren in ihm gebrodelt hatte – gegen die er angekämpft und die er ertragen hatte, die zu ignorieren ihm gelegentlich sogar gelungen war, die er jedoch nie ganz hatte auslöschen können –, loderte so plötzlich in ihm auf, dass er sie nicht im Zaum halten konnte. »Das geht mich nichts an, ja? Was zum Teufel glaubst du, was ich in den letzten Jahren getan habe? Hast du auch nur irgendeine Vorstellung davon, was ich durchgemacht habe? All die Nächte, in denen ich wach gelegen habe, die Schreckensbilder, die ich mir von dir ausgemalt habe – während du hier gemütlich gesessen und deine Seele ergründet hast und dir nicht einmal die Mühe gemacht hast, mir zu schreiben? Weißt du überhaupt, wie ich … « Seine Stimme brach, als sie auf ihn zukam; zu seiner Verwunderung kamen ihm die Tränen. »Stella, hast du irgendeine Vorstellung davon, wie sehr ich wegen dir gelitten habe?«
Sie nahm sein Gesicht in die Hände und griff fest zu. »Hier geht es nicht um dich, James. Mein Gott … ja, es tut mir leid, dass du um mich getrauert hast! Aber was muss ich noch sagen, um dich davon zu überzeugen, es dabei bewenden zu lassen? Ja, ich hätte auf dich hören sollen! Ja, ich hätte mit dir gehen sollen, als du mir angeboten hast, mich fortzubringen!« Sie zwinkerte, und eine Träne tropfte aus ihrem Auge. »Aber den Preis für mein Versagen musst nicht du bezahlen. Sondern ich! Und du wirst mich jetzt bezahlen lassen!«
»Ich kann nicht akzeptieren … «
Ihre Nägel krallten sich in sein Gesicht. »Ich sage es jetzt zum letzten Mal. Ich liebe dich. Ich liebe dich dafür, dass du versucht hast, mich zu retten. Ich liebe dich für das, was du mit deinen Fabriken erreicht hast. Aber ich werde nicht länger als deine Entschuldigung herhalten. Und wir werden uns erst wiedersehen, wenn ich dazu bereit bin, und nicht, weil du es willst.«
Ihre blauen Augen sahen grimmig in seine, dann ließ sie sein Gesicht los. Sie umarmte ihn und drückte die Stirn an seine Schulter.
Er holte zitternd Luft. Seine Hände hoben sich zögernd über ihren Rücken. Sie zitterte. Er verspürte einen kurzen Moment der Trostlosigkeit und dann die leiseste, zaghafteste Regung von etwas Leichterem und Wunderbarem. Er umarmte sie fest. »Ich liebe dich«, sagte er heiser.
»Daran habe ich nie gezweifelt«, flüsterte sie an seiner Brust.
Nachdem ihr Vater zu Ashmore aufgebrochen war, wurde Lydia klar, dass sie einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Ashmore wusste von ihrer Tändelei mit James. Wenn er es nun erwähnte? Sie war sich nicht sicher, wie Papa darauf reagieren würde. Sein Wutanfall vorhin hatte ihm gar nicht ähnlich gesehen. Würde er glauben, dass Ashmore log, um ihn zu verspotten, und sich dann bewogen fühlen, etwas Unüberlegtes zu tun?
Sie fand sich im Salon wieder. Sophie und Ana waren einkaufen gegangen. Sie waren mit großem Eifer dabei, Anas Brautausstattung
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