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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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sich bei meiner Schwester erkundigen müssen. Ich muss gestehen, ich habe für solche Dinge keinen Sinn.«
    »Sie geht sehr gut voran«, sagte Lydia sogleich. Ihr war schleierhaft, warum man nicht gleich sie gefragt hatte. »Er steht kurz vor einem gewaltigen Durchbruch. Natürlich sind noch weitere Ausgrabungen erforderlich, aber wir glauben, er hat den wahren Ort des ersten Halts des Exodus ausfindig gemacht!«
    Sanburnes Gabel krachte auf seinen Teller. »Wie aufregend!«
    Lydia wagte es nicht, ihn anzusehen. Was für ein Bauerntrampel! Zum Glück versuchte es die Countess noch einmal. »Das ist ja wundervoll, Miss Boyce. Das wäre wirklich ein historischer Moment.«
    Vor Dankbarkeit wurde ihr ganz warm ums Herz. »Ja, nicht wahr?« Papa würde endlich die verdiente Anerkennung zuteil werden, und selbst George wäre zu dem Eingeständnis gezwungen, von welch großer Bedeutung sein Werk war. »Das wäre wirklich … das Allergrößte.«
    »Aber ich erinnere mich, dass auch Sie selbst sich in der Wissenschaft versuchen. Lord Moreland hat in der Anthropologischen Gesellschaft einen Ihrer Vorträge gehört. Und natürlich auch Ihrem jüngsten Auftritt im Archäologischen Institut beigewohnt.«
    Sanburne schnaubte verächtlich. Lydia ignorierte das und warf dem Earl einen dankbaren Blick zu. »Danke, dass Sie sich daran erinnern, Sir.« Als Erwiderung darauf brachte er ein leises Lächeln zustande. »Ich habe bisher noch keine originäre Forschung betrieben, hatte jedoch die Gelegenheit, einige Artikel zu publizieren, die die Forschungsergebnisse anderer Wissenschaftler synthetisieren. Kürzlich habe ich zum Beispiel einen Beitrag zu Mr Tylors Studie über die indigenen Kulturen von Mexiko geschrieben. In Verbindung mit der Arbeit von Mr Morgan finde ich seine Theorien ungemein inspirierend.«
    »Ach ja?« Das kam von Lady Stratton, die ihr ein paar Plätze weiter am Tisch gegenübersaß. Es schien, als hätte Sanburnes Unterbrechung die anderen Gäste von den üblichen Zwängen befreit. »Aber nicht so aufregend wie das altertümliche Ägypten, nehme ich an.« Dabei warf die Lady dem Viscount einen verschlagenen Blick zu. Wie alle anderen konnte Lydia nicht umhin, diesem Blick zu folgen.
    Ungeachtet der Tatsache, dass die Aufmerksamkeit des gesamten Tisches auf ihm ruhte, legte Sanburne den Kopf in den Nacken und kippte sein ganzes Glas Madeira auf einmal hinunter. Als er schluckte, stockte ihr beim Anblick der goldenen Linie seiner Kehle der Atem. Eine rein animalische Reaktion, nichts, worüber man bestürzt sein müsste, aber hui! Wie absurd, dass solche Schönheit an einen Mann vergeudet wurde. Was brauchte ein Mann noch mehr, um bewundert zu werden, als eine gute Herkunft, einen Sitz im Parlament und ein wenig Vermögen?
    Unvermittelt wurde ihr klar, dass Lady Stratton auf eine Antwort wartete. »Ganz im Gegenteil.« Ihr ruhiger Ton ehrte sie: Sie würde der Lady keine Sticheleien durchgehen lassen. »Das Interesse meines Vaters liegt im Altertum, doch ich persönlich finde das Studium der Gegenwartskultur anregender.«
    Mr Romney ergriff das Wort. »Tylor ist der Bursche, der behauptet, dass wir uns nicht groß von den Wilden unterscheiden. Hat ihm nichts Geringeres als einen Platz in Oxford verschafft.«
    Lydia lächelte. »Ja, ich vermute, man könnte es auf diese Weise zusammenfassen.« An Lady Stratton gewandt, fuhr sie fort: »Er glaubt, dass alle menschlichen Rassen dieselbe Herkunft haben, aber dass Kulturen sich in unterschiedlichem Tempo entwickeln. Daher lautet seine Schlussfolgerung, dass die Erforschung primitiver Kulturen sich für das Verständnis der Ursprünge unserer eigenen Gesellschaft als sehr hilfreich erweist.«
    Mr Fillmore runzelte die Stirn. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Heiden und Pygmäen irgendetwas mit unserer Herkunft zu tun haben.«
    Das Gespräch hatte Sophies Interesse geweckt. »Nun, ich für meinen Teil stimme Mr Tylor zu! Man muss sich nur um sechs Uhr in St. Pancras aufhalten, um zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass Wilde in unserer Mitte sind. Haben Sie schon einmal gesehen, wie die Bankangestellten sich gegenseitig niedertrampeln, um ihre Züge zu erreichen?« Sie täuschte ein Schaudern vor. »Das macht mir ganz schön Angst!«
    Am Tisch machte sich Gelächter breit. Sophies Beitrag war zwar am Kern der Sache vorbeigegangen, doch sie hatte auf sehr geschickte Weise die gute Stimmung wiederhergestellt. Sie hatte ein Talent für solche Dinge, was Lydia

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