Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
Vom Netzwerk:
fügte sie hinzu, und ein Blick auf Sanburnes gelangweilte Miene provozierte sie, boshaft zu werden, »der Viscount hat ja erklärt, dass er Ketzerei nicht fürchtet. Er findet sie sogar aufregend .«
    Ihr spöttische Bemerkung entlockte ihm ein Grinsen. »Da ich offenbar einem Zwang unterliege! Ich habe keinerlei Mitspracherecht bei meinen Handlungen und bin die perfekte Marionette. Welche Erleichterung! Ich hatte schon lange den Verdacht, dass Schuldgefühle ein sinnloser Zeitvertreib sind.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Sir. Ihnen stehen durchaus auch andere Rollen zur Verfügung; Sie haben sich nur entschieden, ausgerechnet diese zu spielen.«
    »Lydia«, ermahnte Sophie sie scharf.
    »Und was für eine Rolle ist das, Miss Boyce?« Sanburne beugte sich vor. »Reden wir nicht um den heißen Brei herum. Was genau ist meine Rolle? Bin ich ein schlechter Mensch? Zählen Sie mir noch einmal meine Sünden auf, Schätzchen. Legen Sie sie mir ausführlich dar. Schließlich kennen Sie mich so gut. Und Wissenschaftler legen doch vor allem Wert auf Detailgenauigkeit.«
    »Sanburne«, sagte Lady Moreland tadelnd.
    Lydia hob abwehrend die Hand. Sie konnte sich selbst verteidigen. »Es stimmt, dazu kenne ich Sie nicht gut genug«, sagte sie ruhig. »Und um Ihre Handlungsweise mit der korrekten Signifikanz auszustatten, wäre ein gewisser Beobachtungszeitraum vonnöten, in dem ich Ihr Verhalten in Ihrer natürlichen Umgebung studieren könnte. Die, wie ich vermute«, hier ließ sie einen vielsagenden Blick über den mit Tafelsilber und edlem Geschirr gedeckten Tisch, das kultivierte Dekor und das elegante Mobiliar gleiten, »etwas ganz Besonderes ist.«
    »Einen Beobachtungszeitraum.« Sanburne klang nachdenklich. »Und doch haben Sie weniger als eine Minute gebraucht, um zu entscheiden, dass die Stele eine Fälschung war.« Das Lächeln, das seine Lippen umspielte, versprach nichts Gutes. Es war finster, abwägend, leicht hämisch. »Ich frage mich, wie das kommt.«
    Moreland gluckste. »Schmollst du immer noch wegen deiner Blamage im Institut, James?«
    Die Countess erhob sich. »Ich glaube, wir ziehen uns jetzt zurück.«
    Die Herren taten es den Damen gleich und erhoben sich, um sich ihrerseits ins Raucherzimmer zu begeben. Mr Romney tastete bereits sein Jackett ab, um seine Zigaretten zu orten. Sanburne hingegen blieb auf seinem Platz sitzen, da er aufgrund seines spontanen Erscheinens ohne Partnerin war. Als Lydia an Mr Romneys Arm durch die Tür den Rückzug antrat, spürte sie seinen Blick wie einen Dolch zwischen ihren Schulterblättern.
    In der Halle packte Sophie sie am Ellbogen. »Was um alles in der Welt ist in dich gefahren?«
    »Geh schon mal mit Ana vor. Ich muss das Badezimmer aufsuchen.«
    Auf der Toilette warfen mit Jasmin parfümierte Kerzen ein flackerndes Licht über den marmornen Waschtisch und die kastanienbraune Tapete. Lydia spritzte sich kaltes Wasser auf Hals und Handgelenke und drückte ihr Gesicht in ein weiches Handtuch. Du lieber Himmel, sie hätte schlauer sein müssen. Sich gegen diesen Gauner zu verteidigen, war eine Sache, sich dabei unmöglich aufzuführen, eine ganz andere. Damit hatte sie Georges schlimmste Erwartungen erfüllt. Warum hatte sie Sanburne nicht einfach ignoriert? Sie hätte lächeln und die Provokation ins Leere laufen lassen sollen. Schließlich war es die Aufgabe der Countess, das Gespräch in Gang zu halten, und nicht Lydias. Sie hatte Ana ein furchtbar schlechtes Beispiel gegeben.
    Sie atmete tief durch und ließ das Handtuch sinken. Sanburnes Ankunft war aufsehenerregend gewesen, ja unerhört. Das wäre das Erste, wovon die anderen Gäste sprechen würden. Im Vergleich zu seinen Fisimatenten mussten ihre Bemerkungen regelrecht zahm erscheinen – im Grunde kaum der Rede wert. Wer war sie denn schon? Ein Niemand, eine alte Jungfer, die sich in der Wissenschaft versuchte und nur aus Rücksicht auf ihren Schwager eingeladen worden war. Sie kannte ihren Platz in der feinen Gesellschaft. Die einzigen Frauen, die noch bedeutungsloser waren als arme alte Jungfern, waren die Dienstmädchen. Zudem würde es niemanden überraschen, dass sie feste Überzeugungen hegte. Von einem sogenannten Blaustrumpf, einer gebildeten, aber unweiblichen Frau, wurde nichts anderes erwartet.
    Sie stieß sich vom Waschtisch ab. Es war schon zu viel Zeit verstrichen. Die beste Methode, Klatsch und Tratsch entgegenzuwirken, bestand darin, in den Salon zu gehen, als sei nichts Bemerkenswertes

Weitere Kostenlose Bücher