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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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seinem Grinsen zu.

7
    Es war ein schlechter Monat, der James zweimal ins Haus seines Vaters führte. Schon beim Eintreten rebellierte sein ganzer Körper: Die Kehle schnürte sich ihm zu, seine Schultern verkrampften sich. Es herrschte eine Atmosphäre wie in einer Gruft: verbrauchte, feuchtkalte Luft. Der Geruch nach Orchideen und Zitronenwachs war so stark, dass ihm davon schwindlig wurde, als er auf die Bibliothek zusteuerte.
    Die Tür stand offen. Als er innehielt, damit seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten, drang die Stimme seines Vaters zu ihm heraus, düster und giftig wie Tabakqualm. »Zu spät. Welch Überraschung!«
    Moreland saß in einem Polstersessel, der den niedrigen Tisch am Kamin flankierte. Er erhob sich nicht, als James sich näherte, doch der Mann neben ihm sprang auf. Er hatte dunkle, kurz geschorene Haare, ein glattrasiertes Kinn und eine steife Körperhaltung. Gab es vielleicht einen militärischen Hintergrund? Verächtlich verzog James die Lippen. Ja, man benötigte ein oder zwei Soldaten, die im Irrenhaus Ordnung hielten. Gott bewahre, dass die Verrückten ihre Disziplin vergaßen.
    »Das ist Mr Denbury«, erklärte sein Vater. An seinem Sessel lehnte ein Stock, den James nie zuvor gesehen hatte. Der alte Spinner war wahrscheinlich zu stolz, ihn in der Öffentlichkeit zu benutzen. »Einer der Aufseher in Kenhurst.«
    »Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Denbury. Seine Finger fühlten sich schlaff und klamm an, und er schüttelte James nur widerstrebend die Hand.
    »Gar nicht meinerseits«, antwortete James trocken, worauf sie Platz nahmen. »Dwyer konnte nicht kommen, wie?«
    Denbury rutschte unbehaglich hin und her. »Nein, Sir. Er ist im Moment unpässlich.«
    »Stimmt ja.« Der arme Kerl saß wahrscheinlich zusammengekauert in einer Ecke und zitterte. »Wie schade. Ich hätte ihn diesmal mit Samthandschuhen angefasst. Richten Sie ihm das unbedingt aus.«
    »Sanburne«, sagte sein Vater warnend. Er hatte noch mehr an Gewicht verloren, was unvorteilhaft seine nun hagere Gestalt betonte. Sein früher blendendes Aussehen war mittlerweile in seinen Zügen nicht mehr zu erkennen. So betonten seine hohen Wangenknochen jetzt die eingefallenen Höhlen darunter. Die tief liegenden Augen – Stellas Augen, ein so strahlendes und unwahrscheinliches Blau – sanken ebenfalls ein. Er sah mit jedem Tag teuflischer aus. James hoffte nur, dass er rechtzeitig das Zeitliche segnete, bevor kleine Kinder vor ihm Reißaus nahmen. Ihre Angst würde seinen Vater sicherlich mit unerträglicher Befriedigung erfüllen.
    Mit einem Gähnen griff James nach dem Portwein. »Denbury! Ihnen sieht man den Gleichschritt ja förmlich an.«
    Der Mann setzte sich ein wenig aufrechter hin. »Ja, Sir. Sie haben ein gutes Auge.« Morelands verächtliches Schnauben ließ ihn nur kurz zögern. »Ich habe bei der Dreiundvierzigsten in Burma gedient.«
    »Sie waren bei der Infanterie?« James öffnete die Karaffe und hob sie hoch, um daran zu schnuppern. »Tja. Das erklärt den zweitklassigen Portwein, den man uns serviert.«
    Moreland klopfte empört mit seinem Stock. »Verflucht! Das ist ein Sechsundvierziger, du Dummkopf!«
    »Ha! Hat Metcalfe dir das weisgemacht? Dein Butler hat dich wieder mal reingelegt. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass er nicht viel für dich übrig hat.« An Denbury gewandt, fuhr James fort: »Das muss furchtbar anstrengend gewesen sein.« Der Portwein gluckerte aus der Flasche. Eins, zwei, drei Fingerbreit. Kopfschmerzen hatte er sowieso schon, für Mäßigung bestand keine Veranlassung. »Die Umstellung von den Tropen nach Hampshire, meine ich.«
    Denbury räusperte sich. »Nun, Sir, dass es mir leidgetan hätte, kann ich nicht behaupten. Hier ist es sicherlich um einiges friedlicher als im Orient.«
    »Oh, allerdings, ich nehme an, dass es im Irrenhaus sehr erholsam ist.«
    Denbury gab ein leises Hicksen von sich. »Ah, so habe ich es nicht gemeint, Sir. Nicht, dass ich es … unangenehm fände. Als Kind wollte ich nämlich Arzt werden.«
    Moreland gab einen verärgerten Laut von sich. »Genug geplaudert. Wollen wir anfangen?«
    Denbury reichte jedem von ihnen ein Bündel Papiere. Auf dem zuoberst liegenden Blatt war in ordentlichen Druckbuchstaben Stellas Name notiert. »Lady Bolands Quartalsbericht.«
    Quartalsbericht. Als wäre Stella irgendeine Aktie, deren Entwicklung für die Aktieninhaber aufgezeichnet und kodifiziert werden konnte. James blätterte ihn mit zunehmendem

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