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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Halskrause blickte Henri Guisan links am Betrachter vorbei in die Ferne.
    Warum kommt die Gefahr immer von links?
    »Früher, als ich noch ein kleiner Bub war«, begann Eschenbach leise und deutete mit dem Kinn in die Richtung des Bildes. »Da hat der General in jedem Schweizer Wirtshaus gehangen. Dann ist er langsam verschwunden. Heute sieht man ihn manchmal noch … in den ländlichen Lokalen rund um den Genfer See und in den kleinen Kirchen dort.«
    »Sind Sie mir noch böse?«, fragte Chester.
    »Sieht es denn so aus?«
    »Ernest hat mir erzählt, dass man in der Schweiz jetzt auch noch die Kreuze von den Berggipfeln entfernen will.«
    »Ja, ja …«, murmelte Eschenbach. »Wir haben unsere gute Mühe mit der Obrigkeit. Am Ende der Fahnenstange weht der Stolz.«
    »Wo weht er nicht?«, sagte Chester. »Ich frage mich, ob der Oberst Sie deshalb richtig eingeschätzt hat, weil Sie vom selben Schlag sind.«
    »Ich hoffe es nicht.«

Kapitel 30
    Annie’s Best
    N och nie in seinem Leben hatte sich der Kommissar so missbraucht und wertlos gefühlt wie an diesem klaren Herbstmorgen auf Annie’s Landmark im Süden Irlands.
    Wie ein geprügelter Hund trottete er zurück zum Wagen. Nicht einmal Wut kam mehr in ihm auf. Nichts von all dem, was ihn bisher angetrieben hatte, fand er in sich wieder. Eschenbach war, als hätte jemand sein Innerstes ausgeweidet und eine große Leere zurückgelassen. Ein verbranntes Feld, so schwarz wie die Nacht.
    Er setzte sich hinters Steuer, steckte den Zündschlüssel ins Schloss und startete den Motor. Wenn er wenigstens ein Rad gewesen wäre in diesem Getriebe. Aber er war nur ein Rädchen. Ein Zacken eines Rädchens. Das Spiel, das ein paar alte Patrio­ten nach ihren eigenen Regeln veranstalteten, lief munter weiter, egal, was aus ihm wurde.
    Aber in diesem Spiel hatte es einen Unfall gegeben. Denn der Mord an Banz, da war sich Eschenbach sicher, war nicht Teil des Plans gewesen.
    Wie ging es nun weiter?
    Es würde sich alles aufklären, hatte die alte Frau ihm versichert. Mehr könne sie ihm zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Der Oberst werde alle Fakten, die zum Tod von Jakob Banz geführt hatten, offenlegen. »Wenn Sie zurück in der Schweiz sind, ist der Fall aufgeklärt.« Mehr als diesen einen Satz konnte er Ches­ter nicht mehr entlocken.
    Eschenbach wollte losfahren. Zu seinem Erstaunen machte der Wagen nur einen einzigen Satz vorwärts, über den Wegrand hinaus ins Grüne, um gleich darauf, nach einem würgenden Motorengeräusch, wieder stillzustehen.
    Guisan hatte recht, dachte der Kommissar. Die Gefahr kommt von links, denn dort hatte er den falschen Gang er­wischt. Eschenbach hob die Flasche Whiskey auf. Sie war vom Nebensitz nach vorne auf den Boden geknallt.
    Er betrachtete das Etikett. Auf dem Hintergrund einer blassen Rose stand: »Annie’s Best – Peated Single Malt – Irisch Whiskey«. Ebenfalls aufgedruckt war groß die Jahreszahl 1981 und, etwas kleiner, der Name der Destillerie. Der Kommissar wusste, dass das Alter bei Whiskeys üblicherweise in Jahren angegeben wurde. 5 Years, 10 Years und so weiter. Nur in Ausnahmefällen waren die Flaschen mit einem Jahrgang versehen.
    Annie’s Best – Annie’s Landmark.
    Ein Ruck durchfuhr Eschenbach. Diesmal ohne dass sich der Wagen bewegt hätte. Der Ruck war rein innerlich. Der Kommissar griff sich an die Stirn. Warum war er nicht schon vorher darauf gekommen?
    Er startete den Motor erneut, brachte den Wagen zurück auf den schmalen Weg und fuhr direkt vors Haus, wo er ausstieg. Weil die Tür nicht abgeschlossen war, trat er, ohne anzuklopfen, in den dunklen Flur. Er fand Chester in der Küche. Sie hatte sich eine weiße Schürze umgebunden und war gerade damit beschäftigt, das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen.
    »Was ist 1981 passiert?«
    Die alte Frau zuckte zusammen, als hätte der Blitz sie getroffen. Dann wandte sie sich Eschenbach zu. »Sie hätten wenigs­tens ein Geräusch machen können.«
    Der Kommissar räusperte sich. »Das Jahr neunzehneinund­achtzig.«
    Chester dachte nach. »Da war ich noch nicht beim Obers­ten.«
    »Ich weiß. Der Unfall mit Anne-Christine und Judith – in den auch Ihr Mann verwickelt war … er ereignete sich 1986. Fünf Jahre später also. Ich habe vielleicht ein schlechtes Namensgedächtnis. Aber Zahlen kann ich mir merken.«
    »Da sehen Sie’s. Ich habe Sie nicht angelogen.«
    Eschenbach hob mit der linken Hand den Whiskey und deutete auf das Etikett.

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