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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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er gesucht hatte:
    »Hösli ist ein Giftzwerg!«
    Chester verzog den Mund. »Entschuldigen Sie, wenn ich lachen muss … Herr Hösli muss Sie wirklich überzeugt haben.«
    Eschenbach schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Sie wären auch für zehn Millionen nicht zu Duprey gegangen. Stimmt doch, oder?«
    »Nein … Ich meine, ja.«
    »Und wenn Hösli Sie darum gebeten hätte?« Chester sah Eschenbach fragend an.
    »Wohl kaum.«
    »Sehen Sie, das ist erstaunlich. Max Hösli hatte diese Variante vorgeschlagen. Aber Ernest hat Sie von Anfang an so eingeschätzt, dass Sie Hösli eine Abfuhr erteilen …, dass Sie deswegen Ihre Auszeit in Kanada nicht unterbrechen würden.«
    Eschenbach spürte, wie er in Wallung geriet. Die Geschichte, die Chester ihm erzählte, war hanebüchen. Geradezu grotesk. Was war nur in ihn gefahren, damals? Er hätte allen eine Abfuhr erteilen müssen. Warum hatte er es nicht fertiggebracht, Banz einfach die kalte Schulter zu zeigen – oder, was noch viel besser gewesen wäre: Banz und Hösli einen Tritt in den Hintern zu geben? Jawohl, einen Tritt! Allen voran diesem falschen Jakob, diesem arroganten Fettarsch!
    »Und Ernest hat Sie richtig eingeschätzt.« Chester warf ihm einen flüchtigen Blick zu, wartete, bis er sich wieder gesetzt hatte.
    »Dieser Kommissar ist nicht empfänglich für Schmeicheleien und Statussymbole, hat er gesagt. Die Aussicht auf die Leitung der Kantonspolizei, der letzte große Coup am Ende seiner Beamtenlaufbahn … Das alles interessiert diesen Starrkopf nicht.«
    Langsam lehnte sich Eschenbach wieder zurück. Er drückte seinen breiten Rücken in die Kissen und atmete tief durch. Dann schloss er die Augen. »Sie hätten jemand anderen nehmen sollen.«
    »Als promovierter Jurist waren Sie geradezu geschaffen für den Posten des Compliance Officer .«
    »Juristen gibt es wie Sand am Meer … auch bei der Polizei.«
    »Aber Banz kannte Sie … Es ist eine alte Weisheit, dass man Bekannten gegenüber weniger misstrauisch ist. Sie waren der perfekte Fit, Herr Kommissar. Also mussten wir Sie irgendwie drankriegen, dass Sie zusagten.«
    »Ich lass mich doch nicht manipulieren.« Eschenbach öffnete die Augen wieder.
    »O doch!« Chester hob die Schultern, als wollte sie sich für ihren Einwand entschuldigen. »Jeder Mensch hat eine Schwäche … einen Mechanismus, den er selbst nur schwer kontrollieren kann. Der Oberst wusste ganz genau, wie er es anstellen musste …«
    »Blödsinn!«
    »Wie reagierten Sie denn, Herr Kommissar, als Sie sich hintergangen fühlten … durch eine vermeintliche Intrige? Als man Ihnen despektierlich die kalte Schulter zeigte, keinen Respekt mehr zollte.« Chester legte ihre Hand auf Eschenbachs Schulter. »Sie fühlten sich in Ihrem tiefsten Innern verletzt, das ist verständlich. Ab diesem Augenblick übernimmt bei Ihnen Ihr Temperament das Kommando. Die Wut kocht in Ihnen hoch …«
    »Hahaha …« Es war mehr ein Grummeln, nicht wirklich ein Lachen.
    »Sehen Sie, Herr Kommissar? Sie sind ein kultivierter Mensch … Versuchen Ihre Wut einzudämmen und zu verdrängen. Aber Sie bringen sie nicht weg, das ist Ihr Problem. Ihre Wut erkaltet nur, wie Kirschen in einem Einmachglas. Und was übrig bleibt, ist der Trotz.«
    »Ein alter Trotzkopf, und wennschon?«
    »In der Tat.« Die alte Frau schmunzelte. »Wie es scheint, wissen Sie es selbst am besten. Das macht Sie zwar sympathisch, aber auch berechenbar. Denn Sie haben die Stelle bei Banz angenommen, weil Sie es allen zeigen wollten: Ihrem Chef, Max Hösli, Ihren Kollegen bei der Polizei … und vielleicht am meis­ten sich selbst. Beweisen, dass Sie unabhängig sind.«
    »Sind Sie endlich fertig?«, fragte Eschenbach.
    »Ja.«
    Die Stille, die nun den Raum erfüllte, war voller Niedertracht. Gekränkt bis ins Tiefste seiner alten Knochen, saß der Kommissar da. Sein müder Blick schweifte durch den Raum, entlang der grün tapezierten Wände. Schwarzweißfotografien hingen dort, in unterschiedlichen Formaten. Der Kommissar konnte die Sujets nicht richtig ausmachen. Auf einer der größeren Abbildungen glaubte er einen Panzer zu erkennen. Also vermutete er, dass die Bilder aus der Militärdienstzeit des Obersten stammten. Dann entdeckte Eschenbach das Porträt des Generals. Eingefasst in einen schmucklosen Holzrahmen, keine drei Meter von ihm entfernt, stand es auf einem leergeräumten Brett des Bücherregals. In nachdenklicher Pose, mit steifem Offiziershut und prächtig verzierter

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